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Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Titel: Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Yaqui-Höflichkeit mit den Augen verfolgt hatte, war mit seiner Limonade schon fertig. Er wandte sich an Benigno, der traurig dreinblickte, und sagte lachend: »Jetzt haben sie dich um deine Flasche geprellt.« Don Juan meinte, daß er Limonade nicht mochte, und drückte Benigno seine Flasche in die Hand. Wir saßen schweigend unter der ramada. Eligio schien nervös. Er spielte an seiner Hutkrempe herum. »Ich habe darüber nachgedacht, was du gestern abend erzählt hast«, sagte er zu Don Juan. »Wie kann Peyote unser Leben verändern? Wie?«
    Don Juan antwortete nicht. Einen Augenblick starrte er Eligio unverwandt an und begann dann, ein Lied in der Yaqui-Sprache zu singen. Es war kein richtiges Lied, sondern eine kurze Rezitation. Lange saßen wir schweigend da. Dann bat ich Don Juan, mir die Yaquiworte zu übersetzen. »Das war nur für Yaquis bestimmt«, sagte er unvermittelt. Ich war enttäuscht. Sicher hatte er etwas sehr Wichtiges gesagt. »Eligio ist ein Indianer«, sagte Don Juan schließlich zu mir, »und als Indianer besitzt Eligio nichts. Wir Indianer haben nichts. Alles, was du hier siehst, gehört den Yoris. Die Yaquis haben nur ihren Zorn und das, was das Land ihnen schenkt.« Einige Zeit sprach niemand eine Silbe, und dann stand Don Juan auf, sagte Auf Wiedersehen und ging fort. Wir sahen ihm nach, bis er um eine Straßenecke verschwand. Wir waren alle irgendwie nervös. Lucio meinte unsicher, sein Großvater sei wohl gegangen, weil er Hasenbraten nicht mochte. Eligio schien in Gedanken versunken. Benigno wandte sich an mich und sagte laut: »Ich glaube, Gott wird dich und Don Juan dafür bestrafen, was ihr tut.« Lucio fing an zu lachen, und Benigno stimmte ein.
    »Du redest Blödsinn«, sagte Eligio finster. »Was du eben gesagt hast, ist einen Dreck wert.«
15. September 1968
    Samstag abend, neun Uhr. Don Juan saß vor Eligio mitten auf der Veranda von Lucios Haus. Don Juan legte den Sack mit den Peyote-Buttons zwischen sich und  Eligio und sang, wobei er seinen Körper leicht wiegte. Lucio, Benigno und ich saßen knapp zwei Meter hinter Eligio mit dem Rücken zur Wand. Anfangs war es recht dunkel. Wir hatten im Haus unter der Petroleumlampe gesessen und auf Don Juan erwartet. Als er kam, hatte er uns auf die ramada hinausgerufen und uns angewiesen, wo wir uns hinsetzen sollten. Nach einiger Zeit gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit. Ich konnte alles deutlich sehen. Ich bemerkte, daß Eligio Angst zu haben schien. Er zitterte am ganzen Körper, seine Zähne klapperten unkontrollierbar. Sein Kopf und Rücken schüttelten sich unter krampfartigen Zuckungen.
    Don Juan sprach auf ihn ein und sagte, er solle keine Angst haben, dem Beschützer vertrauen und an nichts anderes denken. Unauffällig nahm er einen Peyote-Button, reichte ihn Eligio und sagte, er solle ihn sehr langsam kauen. Eligio winselte wie ein junger Hund und schrak zurück. Sein Atem ging sehr schnell und klang wie das Pfeifen eines Blasebalgs. Er nahm den Hut ab und fächelte sich Luft ins Gesicht. Er bedeckte das Gesicht mit den Händen. Ich glaube, er weinte. Lange, angespannte Augenblicke verstrichen, bevor er sich wieder einigermaßen beherrschen konnte. Er saß aufrecht, verbarg noch immer sein Gesicht mit einer Hand, nahm den Peyote-Button und begann ihn zu kauen.
    Eine schreckliche Furcht befiel mich. Erst jetzt bemerkte ich, daß ich nicht weniger Angst hatte als Eligio. In meinem Mund war die gleiche Trockenheit, wie sie von Peyote hervorgerufen wird. Eligio kaute den Button lange. Meine Spannung nahm zu. Ohne zu wollen, begann ich zu wimmern, und mein Atem wurde schneller. Don Juans Gesang wurde lauter, dann bot er Eligio noch einen Button an, und nachdem Eligio ihn gekaut hatte, reichte er ihm Trockenfrüchte und sagte, er solle sie sehr langsam kauen.
    Eligio stand mehrmals auf und ging ins Gebüsch. Einmal bat er um Wasser. Don Juan sagte ihm, er solle nicht trinken, sondern sich nur den Mund ausspülen. Eligio kaute noch zwei weitere Buttons, und Don Juan gab ihm getrocknetes Fleisch. Als er etwa den zehnten Button gekaut hatte, war mir beinah schlecht vor Angst. Plötzlich fiel Eligio vornüber und schlug mit der Stirn auf den Boden. Er rollte auf die linke Seite und wand sich in Krämpfen. Ich schaute auf die Uhr. Es war zwanzig nach elf. Eligio lag auf dem Boden, er zitterte, stöhnte und wälzte sich eine gute Stunde lang hin und her.
    Don Juan saß immer noch in derselben Haltung vor ihm. Seine Peyotelieder

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