Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan
waren eisige Kälte und Nässe. Allmählich erkannte ich, daß ich im Wassergraben lag. Einmal floß mir das Wasser in die Nase, ich schluckte es und mußte husten. Ich hatte ein unangenehmes Jucken in der Nase und nieste ein paarmal. Dann stand ich auf und mußte so laut und kräftig niesen, daß ich einen fahren ließ. Don Juan klatschte in die Hände und lachte. »Wer furzt, der lebt«, sagte er.
Er gab mir ein Zeichen, ihm zu folgen, und wir gingen zum Haus. Ich nahm mir vor zu schweigen. Irgendwie war ich darauf gefaßt, daß sich bei mir eine lustlose und verdrießliche Stimmung einstellen würde, dabei war ich weder müde noch melancholisch. Ich fühlte mich vielmehr schwungvoll und wechselte rasch die Kleider. Ich fing an zu pfeifen. Don Juan sah mich neugierig an und tat so, als wäre er überrascht. Er riß Mund und Augen auf. Seine Gebärde war ausgesprochen komisch, und ich lachte ein bißchen länger als nötig.
»Du schnappst ja über«, sagte er und lachte aus vollem Hals.
Ich erklärte ihm, daß ich mir nicht angewöhnen wollte, immer nach dem Rauchen seiner Mixtur in eine mürrische Stimmung zu geraten. Ich erzählte ihm, daß ich, immer wenn er mich bei meinen Versuchen, den Wächter zu sehen, zum Wassergraben hinausgeführt hatte, davon überzeugt gewesen war, sehen zu können, wenn ich nur lange genug die Dinge um mich her anstarrte.
»Sehen hat nichts mit schauen und schweigen zu tun«, sagte er. »Sehen ist eine Technik, die man lernen muß. Oder vielleicht ist es eine Technik, die manche von uns bereits kennen.«
Er sah mich bedeutungsvoll an, als wolle er damit andeuten, daß ich zu denen gehörte, die die Technik bereits beherrschten.
»Bist du stark genug für einen Spaziergang?« fragte er. Ich sagte, daß ich mich gut fühlte, was auch der Fall war. Ich war nicht hungrig, obwohl ich den ganzen Tag nichts gegessen hatte. Don Juan tat etwas Brot und ein paar Stücke Trockenfleisch in einen Rucksack, reichte ihn mir und forderte mich mit einer Kopfbewegung auf, ihm zu folgen. »Wohin gehen wir?« fragte ich.
Er deutete mit dem Kopf zu den Bergen hinüber. Wir schlugen den Weg zu der Schlucht ein, wo das Wasserloch war, aber wir gingen nicht hinein. Don Juan kletterte auf die Felsen rechts am Eingang der Schlucht. Wir stiegen den Berg hinauf. Die Sonne stand knapp über dem Horizont. Es war ein milder Tag, aber mir war heiß, und ich bekam keine Luft. Ich konnte kaum atmen.
Don Juan war ein ganzes Stück voraus und mußte stehenbleiben, damit ich ihn einholen konnte. Er sagte, ich sei in einer schlimmen körperlichen Verfassung, und vielleicht sollten wir lieber nicht weitergehen. Er ließ mich über eine Stunde lang ausruhen. Er suchte einen glatten, fast runden Felsblock aus und sagte mir, ich solle mich drauflegen. Er brachte meinen Körper auf dem Felsen in die richtige Lage. Er befahl mir, Arme und Beine auszustrecken und sie hängenzulassen. Mein Rücken war leicht durchgebogen und mein Genick war entspannt, so daß auch mein Kopf locker hing. In dieser Haltung ließ er mich etwa fünfzehn Minuten verweilen. Dann sagte er, ich solle meinen Unterleib frei machen. Er wählte sorgfältig einige Zweige und Blätter aus und häufte sie auf meinen nackten Bauch. Augenblicklich spürte ich eine Hitze, die sich über meinen ganzen Körper verbreitete. Dann packte mich Don Juan an den Füßen und drehte mich, bis mein Kopf nach Südosten zeigte. »Jetzt wollen wir den Geist des Wasserloches rufen«, sagte er. Ich versuchte den Kopf zu drehen und ihn anzusehen. Er packte mich heftig an den Haaren und sagte, ich sei in einer sehr verletzbaren Stellung und in einem fürchterlichen körperlichen Zustand und müsse mich ruhig und bewegungslos halten. Er hätte diese besonderen Zweige auf meinen Bauch gelegt, um mich zu schützen, und würde bei mir bleiben für den Fall, daß ich nicht auf mich aufpassen könne. Er stand hinter meinem Kopf, und wenn ich die Augen verdrehte, konnte ich ihn sehen. Er nahm seine Saite und spannte sie, dann merkte er, daß ich ihn ansah, indem ich die Augen nach oben drehte. Er gab mir einen festen Schlag mit den Fingerknöcheln auf den Kopf und befahl mir, in den Himmel zu schauen, nicht die Augen zu schließen und mich auf das Geräusch zu konzentrieren. Als sei es ihm nachträglich eingefallen, fügte er hinzu, daß ich, sobald ich spürte, daß mich irgend etwas überkomme, sofort das Wort ausrufen sollte, das er mich gelehrt hatte.
Don Juan und
Weitere Kostenlose Bücher