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Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Titel: Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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das Sonnenlicht mit kleinen Spiegeln darauf reflektierte. Als das Leuchten intensiver wurde, verloren sich die Umrisse des Gesichts, und wieder war ein amorphes, leuchtendes Objekt an seiner Stelle. Wieder bemerkte ich den Effekt der pulsierenden Lichtexplosionen, die von der Stelle ausgingen, wo sein linkes Auge sein mußte. Ich konzentrierte meine Aufmerksamkeit nicht darauf, sondern starrte absichtlich eine Stelle daneben an, wo ich sein rechtes Auge vermutete. Auf einmal sah ich eine klare, durchscheinende Lichtlache. Es war ein flüssiges Licht. Ich stellte fest, daß diese Wahrnehmung mehr als ein Anblick war; es war ein Gefühl. Die Lache dunklen flüssigen Lichts hatte eine außerordentliche Tiefe. Sie wirkte »freundlich«, »angenehm«. Das Licht, das ihr entströmte, explodierte nicht, sondern wirbelte langsam einwärts, wobei es herrliche Reflexe hervorrief. Dieses Leuchten rührte mich auf so liebliche und zarte Weise an, daß mich ein köstliches Gefühl durchströmte.
    Ich sah einen symmetrischen Kreis strahlender Lichtblitze, die in vertikaler Ebene rhythmisch von der leuchtenden Stelle ausgingen. Der Kreis dehnte sich aus und bedeckte beinah die ganze strahlende Fläche, und dann zog er sich zu einem Lichtpunkt in der Mitte der strahlenden Lache zusammen. Ich sah den Kreis sich mehrmals ausdehnen und zusammenziehen. Dann lehnte ich mich absichtlich zurück, ohne meinen Blick abzuwenden, und konnte beide Augen sehen und den Rhythmus der beiden Formen der Lichtexplosion unterscheiden. Das linke Auge sandte Lichtblitze aus, die tatsächlich über die vertikale Ebene hinausreichten, während das rechte Auge Blitze ausschickte, die sich kreisförmig verbreiteten ohne hervorzutreten. Der Rhythmus der beiden Augen wechselte ab, wobei das Licht des linken Auges jeweils in dem Moment nach außen explodierte, wenn sich die leuchtenden Strahlen des rechten Auges zusammenzogen und einwärts wirbelten. Dann dehnte sich das Licht des rechten Auges aus und bedeckte die ganze strahlende Fläche, während das explodiertende Licht des linken Auges sich zusammenzog.
    Don Juan mußte mich abermals herumgedreht haben, denn nun schaute ich wieder auf das gepflügte Feld. Ich hörte, wie er mir befahl, den Mann zu beobachten. ,Der Mann stand neben dem Felsbrocken und schaute mich an. Ich konnte seine Züge nicht erkennen. Sein Hut bedeckte fast sein ganzes Gesicht. Im nächsten Moment klemmte er sich seinen Sack unter den rechten Arm und ging nach rechts davon. Er ging fast bis zum Ende des gepflügten Feldes, dann wechselte er die Richtung und machte ein paar Schritte zum Wassergraben hinüber. Dann wurden meine Augen unscharf und er verschwand, wie auch die ganze übrige Szene. Sie wurde vom Bild der Wüstensträucher überlagert. Ich erinnere mich nicht daran, wie ich zu Don Juans Haus zurückkehrte, noch kann ich mich entsinnen, was er tat, um mich »zurückzuholen«. Als ich aufwachte, saß ich in Don Juans Zimmer auf meiner Strohmatte. Er trat neben mich und half mir auf. Mir war schwindlig, und mir wurde übel. Sehr schnell und geschickt schleppte Don Juan mich ins Gebüsch neben seinem Haus. Ich übergab mich, und er lachte.
    Danach fühlte ich mich besser. Ich schaute auf die Uhr. Es war elf Uhr abends. Ich schlief wieder ein, und am nächsten Nachmittag um ein Uhr hatte ich wieder das Gefühl, ich selbst zu sein.
    Don Juan fragte mich mehrmals, wie ich mich fühlte. Mir war, als sei mein  Bewußtsein gestört. Ich konnte mich nicht richtig konzentrieren. Von Don Juan streng überwacht, ging ich ein paarmal um das Haus. Er ging hinter mir her. Ich meinte, mich damit abfinden zu müssen, und legte mich wieder schlafen. Am späten Nachmittag wachte ich auf und fühlte mich viel besser. Ich fand mehrere zerquetschte Blätter um mich her. Tatsächlich lag ich, als ich erwachte, bäuchlings auf einem Haufen Blätter. Ihr Duft war sehr stark. Ich erinnere mich, daß ich den Duft wahrnahm, noch ehe ich ganz erwachte. Ich ging nach hinten und fand Don Juan neben dem Wassergraben sitzen. Als er mich näherkommen sah, bedeutete er mir durch hektische Gebärden, stehenzubleiben und ins Haus zurückzugehen. »Lauf hinein!« rief er.
    Ich rannte ins Haus, und ein wenig später gesellte er sich zu mir.
    »Du darfst mir unter keinen Umständen je nachlaufen«, sagte er. »Wenn du mich  sehen willst, dann warte hier auf mich.« Ich entschuldigte mich. Er meinte, ich solle meine Zeit nicht mit albernen Entschuldigungen

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