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Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Titel: Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Platz, an dem du ihn finden kannst, genau zu lokalisieren. Ich weiß jetzt, wo diese Stelle ist. Ich werde dich bald hinführen.«
    »Meinst du, daß der Schauplatz, den ich sah, wirklich existiert?«
    »Selbstverständlich.«
    »Wo?«
    »Das kann ich dir nicht sagen.«
»Wie kann ich diese Stelle finden?«
    »Das kann ich dir auch nicht sagen, nicht weil ich nicht will, sondern weil ich einfach  nicht weiß, wie ich es dir erklären soll.«
    Ich wollte wissen, was es zu bedeuten hatte, daß ich in seinem Zimmer dieselbe Szene gesehen hatte.  Don Juan lachte und machte mich nach, wie ich mich an seinem Bein festgehalten hatte.
    »Das war eine erneute Bestätigung, daß der Verbündete dich annimmt«, sagte er. »Er sorgte dafür, daß du und ich wissen, daß er dich willkommen heißt.«
»Und was war mit dem Gesicht, das ich sah?«
    »Das Gesicht ist dir vertraut, weil du ihn kennst. Du hast ihn schon zuvor gesehen. Vielleicht ist es das Gesicht deines Todes. Du hast dich gefürchtet, aber das war deine eigene Unvorsicht. Er erwartete dich, aber als er sich zeigte, hast du dich der Angst ausgeliefert. Glücklicherweise war ich da, um dich zu schlagen, sonst hätte er sich gegen dich gekehrt, was nur berechtigt gewesen wäre. Wenn ein Mann einem Verbündeten begegnen will, muß er ein makelloser Krieger sein, sonst kann der Verbündete sich gegen ihn kehren und ihn vernichten.«
    Don Juan brachte mich davon ab, am nächsten Morgen nach Los Angeles zurückzukehren. Anscheinend glaubte er, ich hätte mich noch nicht vollkommen erholt. Er bestand darauf, daß ich mit nach Südosten gewandtem Gesicht in seinem Haus sitzenblieb, um meine Kräfte zu schonen. Er saß links von mir und reichte mir mein Notizbuch und meinte, diesmal hätte ich ihn festgenagelt. Er müsse nun nicht nur bei mir bleiben, sondern auch mit mir sprechen.
    »In der Abenddämmerung muß ich dich noch einmal zum Wasser bringen«, sagte er. »Du bist noch nicht wieder bei Kräften, und heute solltest du nicht allein sein. Ich werde dir den ganzen Vormittag Gesellschaft leisten. Am Nachmittag wirst du in besserer Verfassung sein.« Seine Besorgnis stimmte mich bedenklich. »Was fehlt mir denn?« fragte ich. »Du hast einen Verbündeten beschworen.«
»Was meinst du damit?«
    »Wir dürfen heute nicht über die Verbündeten sprechen. Wir wollen lieber über etwas anderes reden.« Ich wußte wirklich nicht, worüber ich sprechen sollte. Auf einmal fühlte ich mich besorgt und unruhig. Don Juan fand die Situation anscheinend äußerst komisch. Er lachte, bis ihm die Tränen kamen.
    »Erzähl mir nicht, daß du, wenn du sprechen sollst, nichts zu sagen weißt«, sagte er mit spöttischem Glitzern in den Augen. Seine gute Laune beruhigte mich.
    Im Augenblick interessierte mich nur ein Thema: der Verbündete. Sein Gesicht war mir so vertraut; es war nicht so, als hätte ich ihn gekannt oder schon einmal gesehen. Es war etwas anderes. Jedesmal, wenn ich mir sein Gesicht vorstellte, wurde mein Verstand von anderen Gedanken förmlich bombardiert, so als wisse ein Teil meiner selbst das Geheimnis, wolle es aber nicht zulassen, daß sich der Rest von mir ihm näherte. Die Empfindung, daß das Gesicht des Verbündeten mir vertraut war, war so unheimlich, daß ich in eine morbide Melancholie verfiel. Don Juan hatte gesagt, es habe das Gesicht meines Todes sein können. Ich glaube, diese Bemerkung ließ mich nicht los. Ich hatte den verzweifelten Wunsch, ihn danach zu fragen, aber ich war mir darüber im klaren, daß Don Juan versuchte, mich daran zu hindern. Ich machte ein paar tiefe Atemzüge und platzte dann mit der Frage heraus: »Was ist der Tod, Don Juan?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte er lächelnd.
    »Ich meine, wie würdest du den Tod beschreiben? Ich möchte gern deine Meinung hören. Ich glaube, jeder hat eine bestimmte Ansicht über den Tod.«
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
    Ich hatte das Tibetanische Totenbuch im Kofferraum meines Autos. Ich kam auf die Idee, es als Aufhänger für unser Gespräch zu benutzen, da es vom Tod handelte. Ich sagte, daß ich ihm daraus vorlesen wolle und versuchte aufzustehen. Er hieß mich sitzenbleiben und ging selbst hinaus, um das Buch zu holen. »Der Vormittag ist eine schlechte Zeit für Zauberer«, sagte er, um zu erklären, warum er nicht wollte, daß ich mich von der Stelle rührte. »Du bist zu schwach, um das Zimmer zu verlassen. Hier drinnen bist du geschützt. Wenn du jetzt hinausgingest, läufst du

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