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Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Titel: Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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steckt.
    »Das tut wirklich gut«, sagte er und fing an zu lachen. Sein Lachen war eigenartig. Es hatte eine seltsame hypnotisierende Wirkung auf mich. Mir fiel ein, daß ich ihn schon des öfteren so lachen gehört hatte. Vielleicht war mir das nicht so klar bewußt geworden, weil er in meiner Gegenwart nie länger auf diese Weise gelacht hatte. »Als nächstes lockert eine Krähe ihren Hals«, sagte er und begann, seinen Hals zu drehen und seine Wange an den Schultern zu reiben. »Dann schaut sie zuerst mit dem einen Auge und dann mit dem anderen in die Welt.«
    Er neigte den Kopf und tat, als schaute er abwechselnd mit dem einen und dann mit dem anderen Auge. Sein Gelächter wurde schriller. Ich hatte den absurden Eindruck, er würde sich sogleich vor meinen Augen in eine Krähe verwandeln. Ich wollte mich durch ein Lachen davon befreien, aber ich war wie gelähmt. Ich hatte tatsächlich das Gefühl, daß eine äußere Kraft auf mich einwirkte. Ich hatte keine Angst und fühlte mich auch nicht schwindlig oder schläfrig. Soweit ich es beurteilen konnte, waren meine Fähigkeiten unbeeinträchtigt. »Jetzt starte deinen Wagen«, sagte Don Juan. Ich betätigte den Starter und trat automatisch auf das Gaspedal. Der Starter mahlte, ohne daß der Motor zündete. Don Juans Lachen war ein weiches, rhythmisches Gackern. Ich versuchte es wieder und wieder. Etwa zehn Minuten lang ließ ich den Starter meines Wagens durchdrehen. Don Juan gackerte die ganze Zeit. Dann gab ich auf und saß mit schwerem Kopf da.
    Er hörte auf zu lachen und sah mich prüfend an, ich »wußte« plötzlich, daß mich sein Gelächter in eine Art hypnotischen Trancezustand versetzt hatte. Obwohl ich mir genau darüber im klaren war, was vorging, glaubte ich nicht, ich selbst zu sein. Solange ich vergeblich versucht hatte, meinen Wagen zu starten, war ich willenlos, beinah erstarrt gewesen. Es war, als hätte Don Juan nicht nur auf das Auto, sondern auch auf mich eingewirkt. Als sein Gackern aufhörte, war ich überzeugt, der Bann sei vorbei, und ich betätigte noch einmal den Starter. Ich war überzeugt, daß mich Don Juan nur mit seinem Gelächter hypnotisiert und glauben gemacht hatte, ich könne das Auto nicht starten. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie er mich neugierig anschaute, als ich den Motor leer durchdrehen ließ und wütend das Gaspedal pumpte.
    Don Juan klopfte mir freundlich auf die Schulter und sagte, die Wut würde mich »kräftigen«, und vielleicht sei es dann nicht mehr nötig, mich im Wasser zu waschen. Je wütender ich wurde, desto schneller würde ich mich von meiner Begegnung mit dem Verbündeten erholen.
    »Laß dich nicht beirren«, hörte ich Don Juan sagen, »gib dem Auto einen Tritt.« Aus vollem Hals lachte er sein natürliches, alltägliches Lachen, und ich kam mir töricht vor und lachte einfältig mit.
    Nach einiger Zeit sagte Don Juan, er hätte das Auto freigegeben. Es startete sofort. 

14.
28. September 1969
    Etwas war unheimlich an Don Juans Haus. Einen Moment glaubte ich, er hielte sich irgendwo in der Umgebung versteckt, um mich zu erschrecken. Ich rief nach ihm, und dann nahm ich meinen Mut zusammen und ging hinein. Don Juan war nicht da. Ich stellte die zwei Tüten Lebensmittel, die ich mitgebracht hatte, auf einen Stoß Brennholz und setzte mich, um auf ihn zu warten, wie ich es dutzende Male zuvor getan hatte. Aber zum erstenmal in all den Jahren des Zusammenseins mit Don Juan fürchtete ich mich davor, allein in seinem Haus zu sein. Ich spürte eine Gegenwart, als sei ein Unsichtbarer bei mir. Dann erinnerte ich mich daran, daß ich vor Jahren einmal dasselbe vage Gefühl gehabt hatte, daß etwas Unbekanntes mich umschlich, als ich allein war. Ich sprang auf und rannte aus dem Haus.
    Ich war zu Don Juan gekommen, um ihm zu sagen, daß die summierte Wirkung meiner Versuche, zu sehen, ihren Tribut von mir forderte. Ich begann mich unsicher zu fühlen, ohne ersichtlichen Grund spürte ich eine unbestimmte Angst; ich war erschöpft, ohne wirklich müde zu sein. Dann kam mir, als Reaktion auf das Alleinsein in Don Juans Haus, wieder voll zu Bewußtsein, wie meine Angst sich nach und nach gesteigert hatte.
    Die Angst reichte Jahre zurück, als Don Juan mich zu einer sehr eigenartigen Konfrontation mit einer Zauberin, einer Frau, die er »la Catalina« nannte, gezwungen hatte. Es begann am 23. November 1961, als ich ihn mit einem verrenkten Knöchel in seinem Haus antraf. Er erklärte mir, daß er einen Feind

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