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Eine angesehene Familie

Eine angesehene Familie

Titel: Eine angesehene Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nur ein Unfall war. Ich habe ihm den Schuß gegeben, und ich habe ihn getötet, das allein gilt. Sie werden mich vernichten.
    Plötzlich begann sie am ganzen Körper zu zittern. Ihr Gaumen wurde ledern, ihre Mundwinkel zogen sich nach unten. Ihre Beine wurden so schwer, als verwandele sich jeder Bluttropfen in ein Bleikorn. Sie klammerte sich an Bibis Schulter fest und begann zu schwanken.
    »Jetzt kommste auf Turkey, was?« sagte Bibi. »Die Aufregung. Wir kochen uns gleich ein Süppchen. Mensch, Moni, die suchen dich und ein grünes Moped!«
    »Das habe ich nicht mehr.«
    »Fabelhaft! Dann kriegen sie dich nie! Ich halte dicht. Für die anderen heißt du Erika. Klar? Solange du bei uns bist, kann dir nichts passieren. Nur in 'ne Razzia darfste nie reinkommen. Brauchste ja auch nicht, du brauchst dir die Dope nicht an der Straßenecke zu holen. Jussuf fährt mit 'nem Wohnwagen herum und empfängt gute Kunden in seinem rollenden Einfamilienhaus.«
    Hinter einem Busch kochten sie sich einen Schuß zurecht. Bibi hatte alles bei sich: einen Blechlöffel, einen Kerzenstummel, Streichhölzer und Ascorbinpulver. Monika steuerte die Injektionsspritze bei, eine sterile Einwegspritze, ein Mäppchen mit Nadeln.
    »Huch, biste vornehm!« sagte Bibi, als sie Monika den Arm abband und über die Vene tastete. »Für jeden Schuß 'ne neue Pistole?«
    »Ja! Das Geld hängt auch noch dran!«
    »Noch! Später zählste jede Mark anders: Noch ein hundertstel Gramm … und wieder ein hundertstel Gramm …«
    Nach dem Druck lag Monika zehn Minuten wie ein geplatzter Ballon auf der Erde hinter dem Gebüsch. Wieder war es ihr, als explodiere ihr Kopf und blähten sich alle Adern. Dann hatte sich der Körper daran gewöhnt, und die selige Phase begann.
    »Vielleicht komme ich morgen wieder«, sagte sie zu Bibi, die ihren Schuß mit der Gelassenheit eines Profis hingenommen hatte. »Wo treffe ich dich?«
    »Am besten hier aufm Strich. Hauptwache wird immer gefährlicher. Da fotografieren die Bullen jeden für ihre Kartei. Jupp hat das selbst erlebt. Als sie den mitnahmen, zeigten sie ihm ein ganzes Poesiealbum voll von seinen Fotos. Da gab's keine Ausreden mehr. Aber hier, aufm Strich, biste sicher. Außerdem ist das hier mein eigener geheimer Platz. Da kommen dicke Brocken her, von der Börse. Geldsäcke mit zwei Beinen, sag' ich dir! Die haben zu Hause ihre Brillantenmutti, aber mit uns Fixern klemmen sie sich in einsame Waldwege. Ganz schön pervers, was? Tschau, Moni …«
    Barrenberg war schon im Bett und las in einem politischen Magazin, was ihn immer sehr aufregte, als Monika leise die Haustür aufschloß und auf ihr Zimmer schlich. Maria Barrenberg saß allein im Salon und übte leise auf ihrem Konzertflügel eine Sonate von Schumann. Irgendein Wohltätigkeitsfest war wieder geplant, bei dem Maria unter ihrem Mädchennamen Maria Sakrow auftreten sollte. Es waren geradezu idiotische Partys, Barrenberg hatte das einmal ausgerechnet: Für die Wohltätigkeit wurden 4.734,25 DM eingespielt, aber allein der Kaviar am kalten Büffet, bester Beluga, kostete über 5.000 Mark, und die gefüllten Wachtelbrüste mit frischen französischen Trüffeln waren auch nicht gerade das tägliche Brot. Barrenberg regte darauf einen Wechsel an, einen Tausch: Was man für die Wohltätigkeit sammelte, sollte man fürs kalte Büffet nehmen und die Kosten des bisherigen kalten Büffets der Wohltätigkeit zuführen. Das war das erstemal, daß man Barrenberg in seinen Kreisen einen verkappten Linken nannte. Ausgerechnet Barrenberg! Darüber ärgerte er sich so abgrundtief, daß er fortan solchen Veranstaltungen fernblieb.
    In ihrem Zimmer schrieb Monika ins Tagebuch:
    Heute war ein irrer Tag. In der Schule klappte nichts, ich hatte einfach alles vergessen, was ich in fast neun Jahren gelernt hatte. 2 mal 5 – das war schon eine schwere Mathe-Aufgabe … 17 mal 19, das war unmöglich im Kopf zu rechnen. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Totale Mattscheibe! Dabei mußte ich immer an Makaroff denken und an das große Problem: Woher bekomme ich das Geld für neue Dope?!
    Ich werde alle Sachen, deren Fehlen bei uns nicht auffällt, verkaufen. Aber dann? Einmal hört das auf. Soll ich so werden wie Bibi? Nein! Nie! Vorher steige ich aus. Ich weiß, wie schwer das ist, aber ich behaupte immer noch, daß ich die Kraft dazu habe. Ich gestehe aber auch, daß das Leben nach so einem Druck unvergleichlich lebenswerter ist als im normalen Zustand. Da finde ich ja schon

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