Eine angesehene Familie
ist, und daß Dienstmädchen selbstverständlich klauen. Das sind sie ihrem Stande schuldig.«
»Fünfhundert Mark sind weg!« sagte Barrenberg dumpf. »Jetzt quatsch keinen sozialistischen Brei! Wenn Mama und du sie nicht genommen haben, wer bleibt dann noch übrig? Das ist Logik! Und nur mit Logik kann man leben, merke dir das!« Barrenberg steckte die Brieftasche in seinen seidenen Morgenmantel. »Schluß! Für mich ist die Sache erledigt. Spätzchen, guck mal im Briefkasten nach, ob die Sonntagszeitung schon da ist.«
An diesem Nachmittag kaufte sich Monika für die ›Fünfhundert am Stück‹, wie es Barrenberg nannte, gutes H 4, das mit einiger Streckung drei Tage reichen konnte. Die halbe Woche war gerettet. Das Glücksgefühl war unbeschreiblich stark. Doch was folgte dann? Wer finanziert die kommenden Tage, Wochen und Monate? Es lagen nicht überall Geldscheine herum.
Der Sonntag war gründlich verdorben.
Barrenberg knurrte den ganzen Tag herum, ob vor dem Fernseher oder hinter Zeitschriften. Auf Anreden antwortete er wortkarg oder gar nicht. Ernas tränenreicher Fortgang – Maria fuhr sie sogar zum Bahnhof, damit sie den nächsten Zug nach Hanau bekommen konnte – war Barrenberg ein willkommener Anlaß, seinen Unmut darüber, daß er Bettina seit zwei Tagen nicht gesehen und gesprochen hatte, an seiner Familie auszulassen. Auch der heutige Tag, der dritte, würde ohne sie vorübergehen.
Maria und Monika zogen die Konsequenzen aus seiner schlechten Laune; sie ließen Eduard allein in der Villa. Maria besuchte ihre tanzende Freundin Ljuba Antonowna Rolle, die auch allein war, weil ihr Mann eine Delegation argentinischer Fleisch-Exporteure durch seinen Betrieb führte und, den Sonntag ausnutzend, hinterher gewaltig saufen würde. Monika ratterte auf ihrem neuen Mofa in die Stadt und kaufte bei Jussuf, der mit seinem Wohnwagen in der Nähe der Messe parkte, ihr H 4. Gleich danach gab sie sich auf einer öffentlichen Toilette einen guten Druck und fuhr sofort wieder nach Hause. Die Angst, die Polizei könne sie durch Zufall doch noch finden, war zu groß.
Am Abend rief Holger Mahlert wieder an. Als das Telefon schellte, ahnte sie, daß er es war. Sie wartete darauf, daß er die Geduld verlor, aber er ließ es durchklingeln, und als das Amt automatisch auf besetzt schaltete, wählte er neu. Da hob sie ab und fragte grob: »Was ist los?!«
Im selben Augenblick tat es ihr leid. Sie schnalzte mit der Zunge und sagte dann: »Hast du das gehört?«
»Ja. Es klang, als wenn eine Tür zuschnappt«, antwortete Holger Mahlert.
»Du Dussel, das war ein Kuß!«
»Danke.«
»Fernmündlich bin ich immer großzügig«, sagte sie etwas flapsig. Ihr war ungeheuer euphorisch zumute; sie kannte diese Kurve nun genau: von der ersten Reaktion nach dem Druck bis zur Lebensleichtigkeit, die dann im späten Stadium überging in jenes Glücksgefühl, aus dem man nie wieder herausgerissen werden möchte. Dann folgte unerbittlich der Abfall, der Sturz in die Leere, auf den der Körper mit neuen Forderungen reagierte, mit Schweißausbrüchen, Zittern und inneren Krämpfen, die nur ein neuer Schuß beruhigen konnte.
»Warum kommst du nicht?« fragte Mahlert. »Mir geht es wesentlich besser. Ich bin schmerzfrei, habe kein Fieber mehr, laufe herum. Nächste Woche – sagt Peter – wäre ich wieder voll zu gebrauchen.« Das war gelogen. Roßkauf hatte von mindestens zwei Wochen gesprochen. Die Wundinfektion hatte er beherrschen können, die Wunde butterte nicht mehr – Mediziner haben für solche Vorgänge immer plastische Worte – aber jetzt, in der Heilphase, zeigte sich, daß Mahlert eben doch sehr geschwächt war. »Monika, wann sehen wir uns?«
»Ich weiß nicht. Die Schule, Holger … Und immer die Angst im Nacken: Das schaffst du nie! – Ich bin abends so müde, daß ich regelrecht ins Bett falle.«
»Eine Stunde nur, Monika! Nach der Schule. Wenn ich dich abhole, nur nach Hause bringe … Nur dieser kurze Weg, das genügt schon! Ich muß dich sehen!«
»Hol mich am Dienstag ab, ja?« Sie lachte, obwohl es nichts gab, worüber sie lachen konnte; ihr Freudenausbruch war völlig unmotiviert, auch als sie sagte:
»Um 13 Uhr habe ich frei! Schlaf gut, Holger.«
Sie legte auf, ohne seine Antwort abzuwarten. Peter Roßkauf sah seinen Freund fragend an. Mahlert hob die Schultern und wirkte ziemlich hilflos.
»Sie ist von einer umwerfenden Fröhlichkeit. Sie lacht grundlos. Als wenn sie getrunken hätte.«
»Oder
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