Eine angesehene Familie
Handel eingetreten und legt einen Dealer hin, daß die auf der Szene nur so mit den Augen klimpern. Sie hat sich mit Jussuf zusammengetan, der seit einigen Tagen an eine phantastische Ware herankommt. 95 Prozent rein und zu einem Preis, der alle anderen in die Knie tritt. Bei den Fixern ist so etwas wie Weihnachten und Ostern an einem Tag ausgebrochen; statt ihrer schrecklichen Brühe drücken sie jetzt pures H und fallen um wie die vergasten Fliegen. Bisher hat es schon drei Goldene gegeben, wegen Überdosierung, aber unfreiwillig. Die drei haben einfach das frühere Quantum gezogen und sind mit Gloria in die Wolken. Seitdem wimmelt es von Polizeispitzeln auf der Szene. Keiner traut mehr dem anderen. Neue Gesichter sind von vornherein verdächtig und können nur bestehen, wenn sie vor allen einen vollen Schuß losballern. Das macht kein Bulle, die stehen nur herum und glotzen und warten auf eine Gelegenheit. In allen Zeitungen und Illustrierten schreibt man jetzt über die Fixer. Wie gut, daß es uns gibt; so können sich wenigstens ein paar Journalisten und Schriftsteller ein gutes Zeilenhonorar verdienen und ihre Entrüstung ausschwitzen. Ein unerschöpfliches Thema. Und immer zeigen sie Fotos von Bahnhofstoiletten, wo so ein Typ herumliegt und stramm tot ist. »Er wurde nur neunzehn, und seine Mutter weint Tag und Nacht!« – Wenn ich das lese! Diese Omatränentour! Wie es wirklich ist, weiß keiner von diesen Tintenpissern, von denen hat noch keiner einen Turkey erlebt.
Jussuf ist also groß da, vor allem, nachdem Unbekannte diesen feinen Kemal Özdogan umgelegt haben. Auch das ist nie herausgekommen, trotz Sonderkommission. Jussuf ist auch der einzige Kanake, mit dem Bibi ins Bett geht, um billig an die Ware zu kommen. »Bei jedem Geschäft muß man Kapital einsetzen!« sagt Bibi kalt. »Noch hab' ich was, an dem Jussuf wie an Honig kleben bleibt …«
Ich habe Bibi bisher immer als eine kleine miese Nutte angesehen, aber ich habe meine Meinung revidiert. Bibis Vater ist ein bekannter Sänger – als ich den Namen hörte, bin ich fast umgefallen. Ihre Mutter kommt vom Schauspiel und hat sogar mal das Gretchen im ›Faust‹ gespielt. Der Vater hat erst neulich Boris Godunow gesungen und den König Philipp in ›Don Carlos‹. Und Tochter Bibi geht auf den Strich! Sie erfährt nur aus der Zeitung, was mit ihren Eltern los ist. Sie ist von zu Hause ausgerückt und hat sagen lassen: Ich bringe mich um, wenn ihr mich suchen laßt! – Um keinen Skandal heraufzubeschwören, haben Sängervater und Schauspielmutter ihre Tochter Bibi fallen lassen wie eine faulige Apfelsine.
Viermal hat mich Bibi gebeten, mit ihr auf ein Hotelzimmer zu gehen, um einen Freier für Fünfhundert zu verwöhnen. Sie tut das nie allein. Sie hat Angst vor den Dirnenkillern. Aber wenn ich dabei bin, hat sie keine Angst. Dann sitze ich in der Ecke auf einem Stuhl und sehe zu, was sich da vor mir tut. Großväterchens Sexakrobatik! Wenn es nicht so zum Kotzen wäre, müßte man lachen! Meistens bleiben wir hinterher noch auf dem Zimmer, während Opa kurzatmig wieder abzieht, und geben uns gegenseitig einen Druck. Erst dann können wir darüber lachen, aber im Hals bleibt es bitter.
Ich frage mich jetzt immer: Wann bist du soweit? Wann mußt du mit Jussuf schlafen? Wann kannst du einen Druck nur noch bezahlen, wenn du an der Ecke stehst?! Ich zittere vor dem Gedanken. Aber die Stunde kommt. Kommt bestimmt. Was ich verkaufen konnte, habe ich abgesetzt. Die Sache mit Papas Brieftasche geht nur einmal. Auch Mama kann ich nicht immer beklauen, obwohl sie ihr Geld herumliegen läßt. Aber einmal fällt auch das auf, und es sind ja immer nur kleine Beträge. Bis heute habe ich mir von Bibi schon 400 Mark geliehen, aber die arbeite ich ab. Ich werde sagen: »Bibi, überall kostet Sicherheit ihr Geld! Wenn ich dir im Hotel zusehen muß, weil du sonst Angst hast, kostet das fünfzig Mark!« Ich werde da ganz clever und hart sein. Und Bibi wird mitmachen müssen. Aber was sind fünfzig Mark, wenn ich am Tag hundert brauche? Noch sind es hundert … Stellen wir jetzt ganz schnell das Denken ab …
Diese Eintragung erfolgte einen Tag, bevor Monika endgültig wußte, daß sie das Abitur nicht machen würde. Der ganze Winter und der kommende Frühling lagen noch vor ihr, und es wurde immer schwieriger, sich zu konzentrieren und das Gelernte zu behalten. »Die Luft ist weg!« sagte sie zu einer Mitschülerin. »Ich will nicht mehr. Mir ist alles zu
Weitere Kostenlose Bücher