Eine angesehene Familie
Ich habe es ihr weggenommen.« Er griff in eine Schublade und holte ein Kuvert hervor. »Ein bißchen weißes Pulver, sehen Sie sich das an! Ein paar Krümel nur. Unglaublich, daß die eine solche Wirkung haben.«
»Makaroff!« brüllte Freddy. Er lag immer noch an Monikas Brust. »Her mit dem Zeug!«
»Ich habe keine Ahnung, was man damit anfängt.« Makaroff hob die Schultern. »Wie macht man daraus eine Injektion?«
Freddy, auf der Couch liegend, bibbernd wie im Schüttelfrost, diktierte Monika jeden Handgriff. Makaroff holte eine Kleinbildkamera mit Motorantrieb und Blitzlicht und begann, jede Phase zu fotografieren.
»Was soll das?« schrie Freddy. »Monika, schlag ihm das Ding aus der Hand!«
»So etwas muß man festhalten, Freddy!« sagte Makaroff ungerührt. »Du willst doch davon loskommen. Aber du hast dich noch nie in diesem Zustand gesehen. Das kann aber sehr nützlich sein.«
»Haste den Löffel?« fragte Freddy.
»Ja«, antwortete Monika.
»Ist Zitronensaft da? Mit etwas Säure haut das noch besser hin.«
»Ich habe Zitronensaft«, sagte Makaroff.
Monika verrichtete alles in fliegender Eile. Sie kochte in der Küche über einer Gasflamme das weiße Heroinpulver mit dem Zitronensaft auf, kam zurück und zog unter Freddys Blicken die Plastikspritze voll, die er immer mit sich herumtrug. Dann nahm sie den Bindfaden aus Freddys Tasche, streifte das Hemd hoch und band seinen linken Arm ab. Makaroff fotografierte.
Ein ganzes Gramm Afghane, dachte er. 90 Prozent rein, das beste, was es zur Zeit gibt. Mit Zitrone aufgekocht. Freddy kann es nicht mehr kontrollieren, und Monika weiß nicht, wieviel sie da in den Kolben zieht. Sie sieht nur den Jungen, wie er wimmert und bettelt.
»Nun mach schon!« stöhnte Freddy. »Drück los! Ich hab' 'ne tolle Vene, was? Da lacht die Nadel! Monika, ich schwör' dir: ich komm' davon los! Nur heute nicht, heute nicht. Das war zuviel. Aber in Las Vegas, da laß ich mich einsperren. Da halte ich durch. Wenn ich zurückkomme, bin ich sauber! Das verspreche ich dir.«
Monika nickte. Während Makaroff weiter blitzte und fotografierte, stach sie die Nadel in Freddys Arm, drückte den ganzen Inhalt der Spritze voll in seine Vene.
Freddy lächelte mit einem geradezu blöden Gesichtsausdruck. Plötzlich bäumte er sich auf, schnellte wie ein Fisch, den man an Land geworfen hat, hoch in die Luft, riß die Arme nach vorn, lag dann verkrümmt auf der Couch, sein Atem wurde immer flacher, seine Beine zuckten konvulsivisch, aber sein Gesicht wurde auf einmal ganz friedlich, wie von einem jenseitigen Frieden verklärt … Mit offenem Mund starrte Monika ihn an, dann warf sie sich über ihn, schüttelte ihn, schrie »Freddy! Freddy! Was ist denn los?!« und als sein Gesicht bleich wurde, das Blut nicht mehr floß und der Atem in der Lähmung erstarrte, schüttelte sie ihn immer noch.
Mit einem dumpfen Schrei warf sich Monika herum und starrte Makaroff an. Der legte seine Kamera auf die Bartheke. »Freddy …« stammelte sie. »Was ist mit Freddy los? Er … er atmet ja nicht mehr … Helfen Sie mir doch!«
Makaroff hob die Schultern. Sein Gesicht war ernst. »Wer kann da noch helfen?«
»Aber das ist doch unmöglich! Das ist doch unmöglich! Freddy! Ich habe ihm …«
»Sie haben ihm den Goldenen Schuß gegeben, Monika! Mein Gott, und ich habe alles fotografiert.« Makaroff tat sehr betroffen. Er griff zu seinem Whisky und trank ihn aus. »Wie konnten Sie das tun?!«
»Ich – ich …« stammelte Monika. »Ich habe doch nur …«
»Er hatte eine Weltkarriere vor sich«, sagte Makaroff ungerührt. »Und auf der Schwelle zum Ruhm bringen Sie ihn um!«
Monika starrte Makaroff an, als sei er ein Gespenst. Dann fiel sie zur Seite, rollte auf den Teppich, zerbrach beim Fall die Plastikspritze und verlor die Besinnung.
Morgens um halb sieben fand der Rentner Ferdinand Apfel die Leiche von Freddy the Tiger. Es war seinem Hund Purzel zu verdanken, mit dem er jeden Morgen durch die stillen Straßen spazierenging. Um diese Zeit war sogar die Frankfurter Luft noch atemfreundlich; eine halbe Stunde später quälten sich Tausende von Autos durch die Häuserschluchten, die Apfel und Purzel in der Frühe fast allein gehörten. Purzel hatte sich daran gewöhnt, um sechs Uhr an die Leine gehakt zu werden und dann die Straßenrunde zu machen, vorbei an all den wohlbekannten Ecken, wo er verhielt, schnupperte und das Bein hob zur Markierung. An diesem Morgen aber war er unruhig, zerrte an
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