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Eine angesehene Familie

Eine angesehene Familie

Titel: Eine angesehene Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Einkommen aufbessern und von einem eigenen Haus und Betrieb in Anatolien träumen –, vor allem aber auch türkische Einsatzkommandos geben uns ein klares Bild von der völlig veränderten, neuen Drogenszene. Die ›Aktion H‹ ist ein Politikum geworden. Militärisch organisierte und geführte Rauschgiftorganisationen sind sämtlich fest in der Hand von Kurden türkischer Provenienz. Mit dem Millionenerlös aus dem H-Schmuggel finanzieren sie die Waffenkäufe für ihren Freiheitskampf gegen den Iran und den Irak. Wir haben das zweifelhafte Glück, daß hier in Frankfurt die Zentralen liegen, von denen aus die ganze Bundesrepublik und Westeuropa beliefert werden! Mit anderen Worten: Unsere Jugend zahlt mit ihrer Gesundheit und ihrem Tod für den Nationalismus der türkischen Kurden!«
    Döhrinck hob seine Hand und zeigte mit dem Bleistift auf die Karte. Der Chef der Kriminalpolizei, der in der ersten Reihe saß, blickte mit ernstem Gesicht auf seine Hände. Er wußte genau, wie hilflos die Polizei zur Zeit noch war. Man rannte gegen Gummiwände. Man griff die kleinen Zubringer, die in geruchsdicht verschweißten Plastikbeutelchen einige armselige Gramm H bei sich hatten. Die Hintermänner, die großen Chefs, die Massenmörder im weißen Kragen kannte niemand.
    »Wir wissen«, sagte Döhrinck, »daß heute in der Türkei über 26.000 Hektar Schlafmohn, der ›weiße Mohn‹, angebaut werden. Das ergibt 600 Tonnen Opium! Aus zehn Kilo Opium macht man in den fabrikähnlichen Labors ein Kilo Heroin höchster Reinheit. Ein Schuß, ein normaler von dieser hochwertigen Ware, braucht 0,25 Gramm. Nun rechnen Sie bitte aus, was damit allein aus der Türkei auf uns zukommt! Man verarbeitet 600 Tonnen Opium zu Heroin! Damit kann man für ein Jahr den gesamten Verbrauch der deutschen Fixer abdecken! Hinzu kommen dann noch die ›Hongkong-Rocks‹ aus dem Goldenen Dreieck, wo 300.000 Tonnen Rohopium in die Sudküchen verschickt werden. Genug, um 750.000 Heroinsüchtige ein Jahr lang täglich high zu machen! Diese Zahlen zeigen deutlich, wie groß die Gefahr ist, die auf uns zukommt, und wie armselig wir dastehen mit unseren Gegenmaßnahmen.«
    Er blickte den Chef der Kriminalpolizei und den Polizeipräsidenten an. »Das soll kein Vorwurf sein. Ich weiß, daß wir alles tun, was in unserer Kraft steht – aber diese Kraft genügt nicht mehr! Die Methoden des Rauschgifthandels sind zu raffiniert geworden, die Kontrolle entgleitet unseren Händen. Jeder zurückkehrende Gastarbeiter, jedes Auto aus dem Orient, jedes Schiff, jedes Flugzeug, jede Fruchtkiste, jeder Karton, jedes Fellbündel, praktisch alles kann ein potentieller Rauschgiftträger sein. Wie will man das überwachen? Razzien – damit wird allenfalls die oberste Schicht abgeschöpft. Der Verlust wird sofort aufgefüllt. Festnahmen? Wen trifft das schon? Den kleinen türkischen Straßenkehrer, den Chemiearbeiter, den Eisenbieger, den Betonmischer … Der große Boß bleibt unbekannt. Er muß unbekannt bleiben, weil der kleine Verteiler ihn ja gar nicht kennt. Bis die Ware bei ihm landet, ist sie durch viele Hände kreuz und quer gelaufen; da sind alle Spuren längst verwischt.«
    Kriminalhauptkommissar Döhrinck tippte mit dem Bleistift auf die türkische Karte. Hier waren, über das Land verstreut, rote Kreuze eingezeichnet, die meisten an der Grenze zum Iran und Irak. Kurdengebiet. Der Feuertopf des Orients. Das rauhe Land der Menschen, die seit Jahrhunderten um ihre Freiheit kämpfen. Ein typisches Schauspiel voller Elend und Gewalt, das die Menschheit vergessen hat.
    »Wir kennen heute die wichtigsten Orte, wo der weiße Mohn auf riesigen, aber unzugänglichen Feldern angebaut wird. Die Großgrundbesitzer dieser Mohnfarmen – auch hier kristallisiert sich wieder eine Oberschicht heraus! – unterhalten eigene schwer bewaffnete Privatarmeen, die es unmöglich machen, daß staatliche Kontrolleure in diese Gebiete kommen. Auch ein türkischer Beamter ist nicht lebensmüde! Bekommt eine Behörde Wind von solch einem Mohnfeld, dann schweigt sie aus Angst – oder die alte orientalische Methode, sich überzeugen zu lassen, bewährt sich wieder: die offene Hand! Wir kennen die Städte, in deren Umgebung der Mohnanbau fast schon industrialisiert ist: Maras, Malatya, Diyarbakir, Silvan, Erzerum und der Süden von Trabzon. Fast die gesamte Ernte dieser Gebiete fließt nach Deutschland! Natürlich nur als reines Heroin, das in den südtürkischen Städten Iskenderun und

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