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Eine Art von Zorn

Eine Art von Zorn

Titel: Eine Art von Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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kündigen. Geht man vor der Zeit, so ist man wegen Unfähigkeit gegangen worden. Und wenn die Unfähigkeit nicht existiert, nun, dann wird sie eben erfunden.
    Sy wußte das so gut wie ich.
    »Was geschieht, wenn ich mich weigere?« fragte ich.
    »Wenn Sie sich weigern, werden Sie suspendiert und kriegen keinen Lohn. Bei einer andern Zeitschrift können Sie erst arbeiten, wenn der Vertrag mit uns abgelaufen ist. Wenn Sie fünf Monate unbezahlten Urlaub nehmen wollen, bitte schön.«
    Ich hätte mir keine fünf Wochen unbezahlten Urlaub leisten können. Das wußte er auch.
    »Tut mir leid, Piet«, sagte er noch einmal. »Selbstverständlich werde ich Sie in jeder Weise unterstützen.«
    Selbstverständlich. Mein Versagen würde bis zu einem gewissen Grad auch die Redaktion diskreditieren. Zudem war ihm mein Erfolg ja gleichsam befohlen worden. Möglicherweise würde man auch ihn rügen, vielleicht weil er New York nicht schon früher vor mir gewarnt hatte. Meine Unfähigkeit würde ihn zwar nicht seine Stelle kosten, aber mein übler Ruf würde seinen Namen anschwärzen.
    Ich sagte: »Ich darf wohl annehmen, daß seine vertrauliche Information nichts taugt?«
    »Nicht unbedingt.«
    »Aber wahrscheinlich.«
    Er seufzte. »Der Alte ist zwar ein Narr, aber kein ganzer.«
    »Das bezweifle ich.«
    »Ich weiß. Aber Sie überschätzen Ihre Bedeutung. Wir alle wissen, daß er keinerlei Vorliebe für Sie hat, und wir wissen auch, daß er ein rachsüchtiger alter Schweinehund ist. Aber er ist auch ein Mann vom Fach. Er hört allerlei Gerüchte, von Leuten in höchsten Stellen, die ihm einen Gefallen tun wollen. Wenn er sagt, er wisse, wo sich die Frau versteckt, dann weiß er wahrscheinlich irgend etwas . Vielleicht nicht genug, aber doch etwas. Er liebt Andeutungen. Und außerdem gibt es ja noch den Außenseiter, nicht wahr?«
    »Ich weiß. Auf den setzt man kein Geld, sondern bloß die zerrissene 10-Francs-Note, die man sowieso wegwerfen wollte.«
    Er zuckte die Achseln. »Quengeln nützt nichts, Piet. Sie haben gehört, was ich sagte, Sie haben gehört, was er sagte.« Er fuhr rasch fort, bevor ich Zeit hatte, etwas zu erwidern. Er hatte für diese Nacht genug von mir. » Wir machens nun so: Ich gebe Ihnen den Ordner mit der ganzen Geschichte: Zeitungsausschnitte, Bilder und die Reuterversion. Nehmen Sie das Zeug nach Hause. Schlafen Sie. Dann lesen Sie alles. Morgen mittag um halb eins treffen wir uns hier im Büro. Bis dann ist die Post aus New York da. Wenn wir über die Lage im Bild sind, können wir entscheiden, was zu tun ist. Okay? «
III
    Ich ging in meine Wohnung in der Nähe der Rue Malesherbes und nahm zwei Schlafpillen, die aber nicht wirkten.
    Nach einer Stunde stand ich auf und spülte die restlichen Tabletten die Toilette hinunter; als Vorsichtsmaßnahme. Ich kaufe jetzt nie mehr als 20 aufs Mal, obschon ich sie ohne Rezept bekomme. Im Röhrchen waren etwa ein Dutzend; das hätte nicht gereicht. Man muß mindestens 30 nehmen, sonst schafft man’s nicht. Dann bringt einem die Magenpumpe wieder zurück ins Leben – eine langwierige, widerliche Rückkehr –, und man landet in der Psychiatrie. Das möchte ich nicht noch einmal durchmachen. Aber ich kenne mich zu gut, und sicher ist sicher. In den trüben Morgenstunden eines unangenehmen Tages, da könnte ich dumm genug sein, denselben Fehler noch mal zu machen.
    Ich kochte Kaffee und öffnete den Ordner, den Sy mir gegeben hatte.
    Die ersten Berichte über das Verbrechen waren in den Schweizer Tageszeitungen erschienen, waren aber unzusammenhängend und widersprüchlich. Eine vollständige Darstellung fand ich nur in einer französischen Illustrierten, einem Wochenmagazin mit dem Namen Partout.
    Die Überschrift – in Lettern aus Revolverkugeln – lautete: MYSTERIOESER MORD IN ZUERICH. Darunter, unscharf, eine gruselige Zeichnung: Ein Auto rast einen Berg hinunter. Am Steuer eine nackte Frau. Untertitel: Ganz Europa sucht die junge schöne Französin im Bikini. Sie hat den Schlüssel zum Geheimnis.
    Partout dramatisiert gern, und seine Redakteure schreiben einen Stil, als würden sie schreien und wären außer Atem. Sie arbeiten in Teams. Obgleich unter dem Artikel nur ein Name stand, war offensichtlich, daß er mindestens drei Verfasser hatte. Die Einleitung stammte von einem Linksradikalen mit einer unseligen Vorliebe für das historische Präsens. Sie las sich wie ein Stummfilmdrehbuch.
    Ort der Handlung : Zürich, Schweiz.
    Datum : 10. Januar
    Zeit :

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