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Eine Art von Zorn

Eine Art von Zorn

Titel: Eine Art von Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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und überzeugende Miene auf. »Offen gesagt, ich benutze den Namen Chase nur bei Auslandsgeschäften – aus Steuergründen. Das möchte ich klarstellen. Es ist kein echtes Pseudonym.«
    »Un nom de guerre« , sagte Madame sanft.
    »Das ist richtig«, stimmte er zu. »Eine juristische Person ist doch auch kein Pseudonym, oder? Nein. Also, sehen Sie.«
    Ich hätte ihn daran erinnern können, daß juristische Personen im allgemeinen keine gefälschten amerikanischen Pässe benützen, aber ich sagte nichts. Schließlich war ich ja Gast des Hauses. Ein erpresserischer zwar, aber immerhin ein Gast. Es gab keinen Grund, warum ich ihm nicht erlauben sollte, sein Gesicht zu wahren.
    »Sie lernten sie also in Paris kennen. Was tat sie dort?«
    »Sie war Verkäuferin. Sie kennen doch diese Läden an der Champs-Elysées und in der Nähe der Madelaine, wo Parfüm zu Discountpreisen an ausländische Touristen verkauft wird? In einem solchen arbeitete sie. Ich begleitete einen deutschen Freund, der für seine Frau eine Menge von dem Zeug kaufte. Sie fiel mir auf, und sie gefiel mir auf den ersten Blick.«
    »Sie ist sehr hübsch«, bemerkte Madame trocken. »Wissen Sie, Mr. Maas, die Bilder in den Zeitungen und Magazinen werden ihr nicht gerecht. Außerdem ist sie intelligent.«
    »Sie kennen sie auch, Madame?«
    »Ja, ich habe sie kennengelernt! Philip schätzt mein Urteil in diesen Dingen. Schließlich ist es doch auch wichtig für unser Geschäft, und man kann von ihm ja nicht erwarten, daß er seine eigene Frau für derlei benutzt.«
    Sie sagte das ganz ruhig und sachlich und lächelte dabei. Man konnte die Bitterkeit nicht hören, aber man spürte sie. Offensichtlich war Madame Sanger früher die Komplizin ihres Mannes gewesen. Es war nur natürlich, daß sie auf die verschiedenen jüngeren Frauen, die jetzt ihre Stelle einnahmen, ein wenig eifersüchtig war.
    Ich warf einen kurzen Blick auf Sanger. Er blickte freundlich vor sich hin.
    »Na ja, Sie wissen sicher, wie das so ist«, sagte er beiläufig.
    Natürlich wußte ich Bescheid, aber ich wollte seine Erklärung hören. »Nein«, sagte ich, »ich weiß nicht, wie das so ist.«
    Seine Geste bat um Nachsicht. »Man verhandelt mit einem andern. Man möchte verkaufen, er möchte kaufen, oder vielleicht auch umgekehrt.«
    Aber vor allem verkaufen, dachte ich, vor allem verkaufen.
    »Es ist wie ein Spiel«, fuhr er fort. »Keiner hat einen Trumpf. Aber wissen Sie was? Wenn man dem andern das Gefühl einflößen kann, daß er einen betrügt, dann ist man in der besseren Position. Also zeigt man ihm etwas, das ihm gefällt und das er haben möchte.«
    »Zum Beispiel Ihre Geliebte?«
    »Ja. Wenn er ein schlechtes Gewissen hat oder erregt ist, hat er den Kopf nicht mehr beim Geschäft.« Seine Augen wanderten zu seiner Frau. »Natürlich kriegt er das Mädchen nicht. Ihr Körper ist nur ein Truppenkörper. Das ist psychologische Kriegführung.« Sein Kalauer klang nicht sehr aufrichtig.
    Seine Frau lächelte ihm zärtlich zu und läutete dem Mädchen, damit es den Kaffee serviere.
    Ich ging mit Sanger zurück ins Wohnzimmer.
    »Wann lernten Sie Lucia kennen?« fragte ich.
    »Ungefähr vor zwei Jahren. Sie hatte während der Saison hier im Süden gearbeitet und war erst etwa einen Monat in Paris.«
    »Und arbeitete in dem Parfümladen?«
    »Ja. Und ich werde Ihnen auch sagen, was mich an ihr am meisten faszinierte. Natürlich sah sie toll aus, aber sie hatte noch etwas ganz Besonderes an sich. Es war die Art, wie sie mit Zahlen umzugehen verstand.«
    »Mit Geld, meinen Sie?«
    »In gewisser Hinsicht. Sie wissen doch, wie sie in solchen Läden die Rechnungen schreiben. Zuerst müssen sie den Rabatt auf kleinen Papierfetzen ausrechnen, dann müssen sie die Francs in Dollars oder sonst was umwandeln, dann muß noch die Steuer berücksichtigt werden, und dann wird zusammengezählt. Normalerweise dauert das ewig. Aber nicht bei Lucia. Sie machte das im Kopf, rascher als sie schreiben konnte. Eine unglaubliche Schnelligkeit im Kopfrechnen.«
    »Das hat ihr geschäftlich aber nicht sehr geholfen, als sie in Antibes war.«
    »Ich wette, daß das die Schuld ihrer Partnerin war.«
    »Und dann?«
    »Adèle und ich machten ihre Bekanntschaft.«
    »Und dabei stellten Sie die geistige Verwandtschaft fest?«
    »Sie war schnell von Begriff. Sie sah sofort den Punkt, wo der Profit liegt.«
    »Und dann ging’s nach St. Moritz.«
    »Nein. Zuerst hatten wir noch ein Geschäft in München abzuwickeln.

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