Eine Art von Zorn
Bernardi.«
Er schaute mich interessiert und erstaunt zugleich an. Es war eine überzeugende schauspielerische Leistung; wenn es überhaupt Schauspielerei war. Ich war meiner Sache nicht mehr sicher. Vielleicht war Philip Sanger gar nicht mit Patrick Chase identisch.
»Lucia Bernardi?« sagte er. »Ist das nicht die Frau, die von der Polizei gesucht wird? Ich glaube, ich habe irgend etwas über den Fall gelesen.«
»Das haben Sie sicher, Mr. Sanger. Die Sache war wochenlang in allen Zeitungen.«
Er zuckte die Achseln. »Wir leben hier ziemlich zurückgezogen. Es tut mir leid, aber ich weiß immer noch nicht, was das Ganze mit mir zu tun hat.«
»Lucia Bernardi hat Oberst Arbil in der Schweiz kennengelernt, in St. Moritz. Zu dieser Zeit befand sie sich in Gesellschaft eines Amerikaners namens Patrick Chase. Ich glaube, Patrick Chase ist ein Freund von Ihnen, Mr. Sanger. Ich würde mich gern einmal mit Mr. Chase über Lucia Bernardi unterhalten.«
Er sah mich ein wenig hilflos an. »Ich kann mir ja vorstellen, wie gerne Sie ihn interviewen würden, wenn er sie gut gekannt hat, aber ich kann Ihnen da nur wenig helfen. Ich bedaure, daß Sie und Ihre Kollegen sich vergebens bemüht haben. Ich kenne zwar einen Patrick Chase, aber nur ganz oberflächlich, vom Grundstückhandel her. Es war in Italien. Aus dem Geschäft ist übrigens nichts geworden. Sie müssen falsch informiert sein. Ich sehe nicht, wie ich Ihnen helfen kann.«
»Vielleicht können Sie mir sagen, wie ich ihn erreichen kann, Mr. Sanger?«
Bedauernd schüttelte er den Kopf. »Er arbeitete als Vertreter für eine italienische Hotelgesellschaft. Vielleicht wenden Sie sich einmal an diese!« Er unterbrach sich. »Was ich nicht verstehe ist, warum Sie ausgerechnet zu mir kommen. Woher haben Sie meinen Namen – und diese Adresse?«
Er spielte wieder glänzend den Unbeteiligten, aber plötzlich wußte ich, daß die Information aus New York stimmte. »Woher haben Sie meinen Namen?«– so hätte jeder gefragt; – »und diese Adresse?«– das konnte nur einer fragen, der noch ein anderer war. Sanger war Patrick, und dieser mußte sich nun über seinen Deckmantel Sorgen machen, mußte herausfinden, wo das Loch sich befand und wie groß es war. Und das konnte er nur von mir erfahren.
Mein Blick bat um Nachsicht. »Es tut mir leid, Mr. Sanger, aber Sie wissen ja, daß wir Journalisten unsere Informationsquellen nicht bekannt geben.«
»Ach ja, die sogenannten Standesregeln.« Einen Augenblick wirkte er gereizt, dann aber stand er auf, wie um seinen Ärger beiseite zu schieben, ging auf die Bar zu und sagte: »Dies ist ein bißchen überraschend gekommen. Ich habe ganz vergessen, zu fragen, was Sie trinken möchten, Mr. Maas – Scotch, Gin, Schnaps?«
»Am liebsten einen Scotch.«
»Mit Soda, Wasser oder Eis?«
»Soda und Eis, bitte.«
Ich beobachtete ihn, als er an der Bar hantierte. Seine Bewegungen waren knapp und geschickt. Seine Hände zitterten nicht. Er hatte sich gut unter Kontrolle. Ich beschloß, ihn etwas in die Zange zu nehmen.
»Danke.« Ich nahm das Glas. »Was für eine Art Mensch ist Patrick Chase, Mr. Sanger?«
»Sie meinen, wie er aussieht?«
»Nun, wie würden Sie ihn beschreiben? Ich meine nicht unbedingt seine äußere Erscheinung. Den Gesamteindruck.«
»Oh, ein typischer amerikanischer Geschäftsmann, würde ich sagen.«
»Viel Geld?«
»Schwer zu sagen. Er interessierte sich für Investierungen in Europa, aber er machte mir den Eindruck eines Vermittlers.«
»Spekulant?«
»Möglicherweise.«
»Sie selbst sind nicht amerikanischer Staatsbürger, glaube ich, Mr. Sanger?«
»Nein. Ich bin während des Krieges in Amerika aufgewachsen.« Er lächelte. »Das wissen Sie sicher schon. Aber was wollen Sie denn eigentlich wissen?«
»Ich wollte nur sichergehen, Mr. Sanger.« Ich stellte das Glas nieder. »Mir wurde gesagt, daß zwischen Ihnen und Patrick Chase eine sehr enge Verbindung bestand. Nun sagen Sie mir, daß das nicht stimmt. Natürlich möchte ich nun gern wissen, inwieweit meine übrigen Informationen über Sie nicht stimmen.«
Die Zange schien zu wirken. Er ging zur Bar zurück und schenkte sich einen Campari-Soda ein. Dann drehte er sich um und sah mich an.
»Ich habe nicht viel Zeit«, sagte er, »aber wenn Sie mir kurz mitteilen, welche Informationen Sie bekommen haben, wird es mir ein Vergnügen sein, Ihnen zu sagen, wieweit sie stimmen.«
Ich antwortete nicht sofort. Er sollte merken, daß es für ihn
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