Eine begehrenswerte Lady
Luc hob Gillian höflich vom Pferd. Sobald ihre Füße den Boden berührten, ließ er sie los und trat ein Stück zurück.
Als er den Sprecher anschaute, hob sich eine seiner Brauen. Stanley Ordway. Warum überraschte ihn das nicht? Es sah ganz so aus, als versammelten sich die Aasgeier um seinen Freund. Ein unfreundliches Lächeln spielte um seine Lippen. Was für hinterhältige Pläne Mrs. Dashwood und ihr Halbbruder auch für seinen Freund Silas geschmiedet hatten, er war fest entschlossen, sie nach Kräften zu durchkreuzen. Sein Blick wanderte über Gillian. Und es würde ihm auch noch Spaß machen.
Kapitel 4
Gillian sank das Herz, als sie ihren Halbbruder auf den Eingangsstufen des Hauses stehen sah, den Mund zu dem verächtlichen Lächeln verzogen, das sie schon immer geärgert hatte. Die in ihr aufwallende Verärgerung verwunderte sie daher nicht. Selbst als Kinder hatten sie sich nicht vertragen – und daran hatte sich mit den Jahren nicht viel geändert. Ihrer Meinung nach hatte er sich von einem verachtungsvollen Jungen zu einem arroganten Geck entwickelt.
Ohne Luc weiter zu beachten, marschierte sie zu ihrem Halbbruder und blieb auf der untersten Stufe stehen. Sie blickte Stanley fest ins Gesicht und verlangte zu wissen:
»Wusste Onkel, dass du kommst? Oder hast du dich ihm einfach wieder rücksichtslos aufgedrängt, weil du gerade knapp bei Kasse bist?«
Stanleys Gesicht verfärbte sich dunkel.
»Ich sehe, du bist so unhöflich und grob wie immer.« Er schaute zu Sophia, die neben Gillian getreten war. »Und ich nehme an, du stellst dich auf ihre Seite, so wie du es immer tust.«
»Vielleicht stelle ich mich auf ihre Seite«, sagte Sophia kühl, »weil sie gewöhnlich recht hat. Gillian hat eine vernünftige Frage gestellt: Wusste unser Onkel, dass du kommen willst?«
Die beiden Frauen unter zusammengezogenen Brauen anschauend, erwiderte er scharf:
»Ich brauche wohl kaum eine Einladung, um meinen Onkel zu besuchen.«
»Das mag stimmen«, pflichtete ihm Gillian bei. »Aber kannst du mir sagen, warum du ihn immer nur besuchst, wenn du Geld brauchst?«
»Was ist denn mit dir?«, schoss Stanley zurück. »Sag mir nicht, dass du hier bist wegen der großen Liebe, die du für ihn empfindest. Du bist seit Jahren nicht hier gewesen, und davor hast du auch nur drei oder vier Mal den Fuß über diese Schwelle gesetzt.« Er lächelte höhnisch. »Also, warum bist du hier?«
»Was auch immer ihre Beweggründe sind, sie ist nun hier«, schaltete Luc sich ein. »Und das ist alles, was Sie zu interessieren hat.« Beide Damen am Ellbogen berührend, führte er sie die Stufen hoch und schenkte Stanley ein Lächeln. »Wenn Sie uns bitte entschuldigen wollen – es ist kalt, und wenn Sie diese … Diskussion fortführen wollen, bin ich sicher, würden die Damen das lieber im Haus und in angenehmerer Umgebung tun.«
Mrs. Easley blickte zu Luc und lachte leise.
»Ein Mann mit gesundem Menschenverstand – wie selten.«
Luc grinste und brachte die Damen ins Haus, sodass Stanley nichts anderes übrig blieb, als ihnen zu folgen. In der Halle gingen die Damen nach oben, um sich umzuziehen. Meacham nahm Luc Hut und Handschuhe ab, ehe er ihn und Stanley in den vorderen Salon geleitete.
Im Kamin brannte ein Feuer, und der Duft von Glühwein lag in der Luft. Ein schlanker junger Mann, in einen blauen, mit schwarzer Litze besetzten Rock und graue Pantalons gekleidet, einen Zinnkrug in der Hand, saß in der Nähe des Feuers. Silas thronte auf seinem gewohnten Platz. Auf dem niedrigen Tisch vor Silas stand ein Silbertablett mit verschiedenen Gegenständen und Erfrischungen.
Silas begrüßte Luc mit einem Lächeln, aber der spürte, dass es erzwungen war. Das Lächeln erwidernd, sagte Luc zu seinem Freund:
»Ich habe die Damen sicher zurückgebracht. Sie kleiden sich gerade um, ehe sie sich wieder zu uns gesellen.«
»Gut, gut!« Silas deutete auf den jungen Mann am Kamin. »Ich glaube, Sie kennen Welbournes jüngsten Sohn bereits, Lord George Canfield.« Als Luc nickte, fügte er hinzu: »Er ist ein guter Freund meines Neffen.«
Canfield mit einer angedeuteten Verbeugung begrüßend, sagte er:
»Wie geht es Ihnen?«
»Gut, danke«, antwortete der, aber seine Nasenflügel blähten sich, als nähme er einen beleidigenden Geruch wahr.
Als Canfield nichts weiter sagte, murmelte Luc:
»Es geht mir bestens. Danke der Nachfrage.«
Canfields Lippen verzogen sich arrogant. Nach einem Moment wandte Luc sich ab und
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