Eine begehrenswerte Lady
zwinkerte Silas zu. Canfields Empfang traf ihn nicht wirklich und belustigte ihn vor allem. Der Himmel wusste, es war beileibe nicht das erste Mal, dass er geschnitten wurde. Er war bereits in Kontakt mit anderen Mitgliedern der guten Gesellschaft gekommen, die glaubten, sie seien so wichtig, dass es unter ihrer Würde sei, mit dem illegitimen Halbbruder des Viscount Joslyn Umgang zu haben. Aber nicht so weit unter ihnen, dachte Luc, dass sie nicht willens waren, sich mit ihm an den Kartentisch zu setzen. Auch Canfield hatte das getan und war nach einer Nacht beim Glücksspiel um mehrere tausend Pfund erleichtert vom Tisch wieder aufgestanden. Aber Luc war der Sohn des Herzogs auch aus anderem Grund aufgefallen – Canfield war wie Lord Padgett auch eng mit Thomas Joslyn befreundet gewesen. Eine Verbindung zwischen Thomas’ Freunden und Nolles’ Bande war nie entdeckt worden, aber Luc, Barnaby und Lamb hatten sich schon gefragt, ob die nach außen hin respektablen Herren sich von dem schnellen Geld in Versuchung hatten führen lassen. Daher hatte Luc sie genau beobachtet, seit er ihre Bekanntschaft gemacht hatte, aber bis auf den Umstand, dass Canfield nun hier war … Interessant.
Auf den Stuhl neben sich zeigend, sagte Silas zu Luc:
»Setzen Sie sich her und erzählen Sie mir von dem Ausritt. Wo waren Sie?«
»Ich habe den Damen die Sieben Schwestern gezeigt, Cuckmere Haven und wo ungefähr Broadhaven liegt«, antwortete Luc und setzte sich neben Silas. »Es war leider keine Zeit mehr, das Dorf zu besuchen. Es war schon spät geworden, und ich wollte sie vor Einbruch der Dunkelheit wieder auf High Tower haben.«
»Ausgezeichnet!« Ein hintergründiges Funkeln stand in Silas’ Augen, als er bemerkte: »Sie sind beide ausgezeichnete Reiterinnen.«
Luc grinste ihn an.
»Allerdings.«
Mit einer Hand deutete Silas in Richtung der Erfrischungen und sagte:
»Bitte nehmen Sie sich von dem Glühwein, den Meacham erst vor wenigen Minuten gebracht hat. Und schenken Sie mir bitte auch einen Becher ein, wenn Sie gerade dabei sind.«
Luc beugte sich vor und füllte mit einer Schöpfkelle aus der Silberschüssel in der Mitte des Tabletts einen Becher für Silas, und nachdem er ihn ihm gegeben hatte, auch noch für sich selbst. Sich in seinem Stuhl zurücklehnend, streckte Luc seine langen Beine aus und atmete den Duft von Zimt und Zitronen ein, ehe er einen Schluck des angenehm warmen Weines nahm. Köstliche Aromen streichelten seine Zunge, und er entspannte sich, während sich die Wärme des Getränks in ihm ausbreitete.
» Bon! «, sagte er. Mit einem Lächeln zu Silas fragte er: »Denken Sie, Meacham würde mir sein Rezept verraten?«
Silas lachte leise.
»Es gibt nicht viele, bei denen er das täte, aber ich glaube, er wäre entzückt, es Ihnen zu geben.«
»Sie scheinen sich ja hier wie zu Hause zu fühlen«, bemerkte Stanley. »Wie oft besuchen Sie meinen Onkel?«
»So oft, wie ich ihn darum bitte«, antwortete Silas und bedachte Stanley mit einem scharfen Blick unter zusammengezogenen Brauen. »Und ich wüsste nicht, was dich das angeht.«
Stanley wurde rot.
»Ich möchte dich daran erinnern, Onkel, dass du nicht länger ein junger Mann bist, und auch wenn es mich schmerzt, das zu sagen, es gibt Leute, die ältere Menschen ausnutzen.« Silas atmete vor Empörung scharf ein, aber Stanley sprach unbeeindruckt weiter: »Ich würde meine Pflichten als Neffe sträflich vernachlässigen, wenn ich deine plötzliche Freundschaft mit einem Fremden nicht hinterfrage.« Er schaute zu Luc. »Natürlich will ich Ihnen nicht zu nahe treten, aber ich bin sicher, Sie verstehen meine Einstellung. Ich sorge mich nur um das Wohlergehen meines Onkels.«
»Ich bin noch lange kein alter Tattergreis«, beschwerte Silas sich, und die Knöchel seiner Hand, mit der er die Tasse hielt, traten weiß hervor. »Weiterhin ist es restlos überflüssig, dass du oder irgendjemand sonst sich um mein Wohlergehen kümmert.« Seine Augen wurden schmal. »Du hast eben einen Gast in meinem Haus beleidigt. Ich bin fast geneigt, dich und deinen verweichlichten Freund vor die Tür zu setzen.«
Die aus zwei Flügeln bestehende Tür öffnete sich in diesem Augenblick, um die Damen einzulassen. Keine der beiden konnte so tun, als bemerkte sie die geladene Atmosphäre nicht, und Gillians Augen richteten sich sogleich auf ihren Onkel. Ein Blick in sein Gesicht verriet ihr, dass er aufgeregt war. Sie hegte wenig Zweifel daran, wer daran die Schuld
Weitere Kostenlose Bücher