Eine begehrenswerte Lady
gut, dann Waffenstillstand.«
Das Dinner verlief in angenehmer Atmosphäre. Erst als das Dessert abgeräumt war und die Damen sich in den Salon zu Tee und Kaffee begaben, klopfte Silas gegen sein Weinglas, um die allgemeine Aufmerksamkeit zu erringen.
Er schaute in die Gesichter der um den rechteckigen Tisch mit der Leinentischdecke Versammelten und verkündete:
»Ich habe etwas bekanntzugeben, was mir große Freude bereitet. Nach einer eingehenden Unterhaltung Donnerstagabend haben wir eine wichtige Entscheidung getroffen: Meine beiden lieben Nichten werden in Zukunft hier bei mir auf High Tower leben.« Er lächelte strahlend in die Runde. »Es ist schon seit Langem mein Wunsch, dass sie bei mir einziehen, und nun haben sie sich endlich meiner erbarmt und eingewilligt, mein Heim mit mir zu teilen. Nichts könnte mich glücklicher machen.«
Die Erklärung überraschte Luc nicht wirklich. Er hatte bereits vermutet, dass Gillian auf solch eine Lösung spekulierte, es erstaunte ihn jedoch, dass Sophia sich daran beteiligte. Aber als er darüber nachdachte, fiel ihm wieder ein, dass sie ja von Gillian abhängig war, wenn Cornelia und Emily recht hatten. Daher hatte sie nicht wirklich die Wahl. Stanley wirkte verdutzt, aber es war Canfields Reaktion, die ihm auffiel. Warum eigentlich, fragte er sich und verfolgte, wie sich Canfields Züge vor Wut verzerrten, sollte ihn diese Neuigkeit derart erzürnen?
Was auch immer er insgeheim dachte, Stanley zeigte sich der Entwicklung gewachsen, indem er aufstand und sein Weinglas hob.
»Ein Toast. Einen Toast auf meine Schwester und meine Cousine, und herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Umzug nach High Tower.«
Nachdem alle darauf getrunken hatten, setzte Stanley sich wieder und blickte über den Tisch hinweg Gillian an.
»Wie bald willst du umziehen?«
»Es ist schon vollzogen«, erklärte Silas zufrieden. »Einige meiner Dienstboten sind gestern nach Surrey aufgebrochen, um alles zu packen.« Er grinste. »Sogar die Kuh Matilda und das Schwein Angel werden auf High Tower ein neues Zuhause finden.«
Nach dieser Ankündigung zogen sich die Damen in den Salon zurück. Zu nervös, um sich zu entspannen, lief Gillian im Zimmer auf und ab, schaute verwundert zu, wie Sophia sich ungerührt eine Tasse Tee einschenkte, und wollte von ihr wissen:
»Machst du dir keine Sorgen wegen Canfield?« Ihre Stirn umwölkte sich. »Und Stanley?« Sie ließ sich neben Sophia auf das Sofa sinken. »Oh Sophy!«, rief sie. »Stanley war wirklich richtig nett zu mir, als wir zusammen zum Speisesalon gingen. Es hörte sich ganz so an, als wollte er, dass wir zwar nicht unbedingt Freunde werden, aber wenigstens freundlich miteinander umgehen. Nach Onkels Ankündigung wird er sicher böse sein, und ich kann ihm noch nicht einmal einen Vorwurf daraus machen. Sie rang die Hände. »Ich fühle mich ganz furchtbar. Er wirkte so aufrichtig – er hat mich sogar Gilly genannt, und das hat er seit Jahren nicht mehr getan. Wir haben uns auf einen Waffenstillstand geeinigt, und ich war hoffnungsvoll …« Sie verzog das Gesicht. »Jetzt könnte ich es verstehen, wenn er mich für hinterhältig hält.«
»Zu mir war er ebenfalls nett«, entgegnete Sophia. »Und auch höflich zu Mr. Joslyn.« Sie rührte Zucker in ihren Tee und sagte: »Ausgehend von seinem Verhalten heute Abend, könnte man glauben, dass er versucht, sich zu ändern.« Sie nahm einen Schluck Tee, stellte dann die Porzellantasse hin und fügte hinzu: »Ich bin sicher, du hast bezüglich seiner Reaktion zu Onkels Ankündigung recht – er muss glauben, wir hätten hinter seinem Rücken gegen ihn intrigiert, uns bei Onkel lieb Kind gemacht.« Sie seufzte. »Was für eine Schande, wenn es ihm dieses Mal ernst ist und sein Sinneswandel ausgerechnet jetzt stattfindet.«
Gillian runzelte die Stirn.
»Du glaubst doch nicht, dass er wirklich unser Verhältnis zueinander kitten will?«
»Das weiß ich nicht, meine Liebe. Es ist tatsächlich möglich, dass er das ernst meint. Stanley war kein böses Kind – verwöhnt und verzogen und zudem eifersüchtig auf dich, ja, das war er alles, aber vergiss nicht, er war auch freundlich – wenn er nicht gerade ein unausstehliches kleines Biest war.« Sophia wirkte nachdenklich. »Auf der anderen Seite … er ist hier mit Canfield, und wir wissen ja, wie der ist. Vermutlich ist Stanley hergekommen, um Onkel Silas zu bitten, seine Spielschulden zu übernehmen, sodass es sein kann, dass seine freundschaftlich
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