Eine besondere Herzensangelegenheit
gestellten Wochenaufgabe. Wenn überhaupt, konnte ich meine Rachegelüste meinem Chef gegenüber erst zu einem späteren Zeitpunkt ausleben.
Zum anderen hatte ich meine Autorität gegenüber meinem Chef maßlos überschätzt. Offensichtlich hatte Zinkelmann nicht mit seinen Scherzen aufgehört, weil ich ihm mit Kündigung gedroht hatte, sondern weil schlicht seine Quelle für Scherzartikel versiegt war – und das leider nur vorübergehend.
Ich war mir nicht sicher, welche der beiden Erkenntnisse mich mehr frustrierte, aber meine Laune war hundsmiserabel, oder besser gesagt hundeherrchenmiserabel, wenn ich an Hassos Besitzer dachte.
Der Gedanke reichte aus, um meine Miene ein ganz klein wenig aufzuhellen. Doch um mich wirklich besser zu fühlen, brauchte ich noch etwas mehr, nämlich etwas zu essen. Nach dem ganzen Gerenne fühlte sich mein Magen an, als würde er von einer riesigen Vakuumpumpe zusammengezogen, ein äußerst unangenehmes Gefühl.
Einen Moment lang überlegte ich. Nur ein paar Häuser weiter befand sich das Grottenolm , ein kleines Bistro mit schönem Innenhof und exzellenter Küche – trotz des merkwürdigen Namens.
Früher, als ich noch mit Paul zusammen gewesen war, waren wir fast jeden Sonntagvormittag zum Brunch dort gewesen, aber seit der Trennung war ich kein einziges Mal mehr hingegangen. Irgendwie war das Bistro für mich ohne Paul tabu gewesen.
Aber vielleicht ist es endlich an der Zeit, ein bisschen von dem alten Ballast über Bord zu werfen, der sich in den letzten Monaten angesammelt hat. Dann schwimmt es sich leichter, dachte ich. Etwas erstaunt stellte ich fest, dass ich an diesem Tag zum ersten Mal nicht spontan sagen konnte, wie lange ich jetzt schon wieder Single war, zumindest nicht auf den Tag genau.
Zufrieden verzog ich mein Gesicht zu einem breiten Grinsen und machte mich auf den Weg ins Grottenolm .
Noch zufriedener war ich allerdings, als ich feststellte, dass dort immer noch so gut gekocht wurde wie früher.
Während ich meine Pasta mit Scampi verdrückte, überlegte ich fieberhaft, auf welche Weise ich meine Wochenaufgabe erfüllen konnte, aber mir fiel einfach nichts ein. Immer wieder kam ich auf den Gedanken, das Ganze mit einer kleinen Racheaktion an Zinkelmann zu verbinden. Aber wie?
Irgendwann kam ich zu dem Schluss, dass ich wohl einfach nicht kreativ genug war. Ich würde mit meiner Rache warten müssen, bis das Knallbonbon wieder geöffnet hatte.
Als ich meine Rechnung bezahlte, hatte ich plötzlich eine andere Idee. Ich musste einfach nur spontan sein. Zum Beispiel konnte ich so viel Trinkgeld geben, dass der Kellnerin die Kinnlade bis zu den Knien kippte. Dann aber schüttelte ich den Kopf. Solche Eskapaden konnte ich mir leider nicht leisten.
Erst als die Bedienung mich bestürzt ansah und »Ihnen hat es nicht geschmeckt?« stammelte, wurde mir klar, dass sie mich gerade gefragt hatte, ob alles zu meiner Zufriedenheit gewesen wäre.
»Doch, doch«, versicherte ich schnell. »Ich habe im Moment nur an etwas anderes gedacht. Das Essen war wirklich ganz ausgezeichnet.«
Ihre unsichere Miene verriet mir, dass ich sie nicht restlos überzeugt hatte. Ich musste wirklich dringend an meiner Autorität arbeiten, gestand ich mir ein.
Als kleine Wiedergutmachung fiel das Trinkgeld dann doch um einiges höher aus, als ich eigentlich vorgehabt hatte.
Doch auch beim Gehen ließ mich der Gedanke an eine spontane Aktion nicht los. Es wäre zwar nicht unbedingt fair gewesen, aber ich konnte zum Beispiel dem Typen, der sich schon seit mehr als zwanzig Minuten an meinem Nachbartisch vor einer aufgetakelten Blondine nervtötend als Casanova aufspielte, einfach eine schallende Ohrfeige geben. Oder ...
Einer plötzlichen Eingebung folgend stand ich auf und lief auf einen kleinen Tisch am Rand des Innenhofs zu, an dem seit einer Weile ein einzelner Mann saß, einen Kaffee trank und völlig in ein Buch vertieft war. Er war vielleicht mittelgroß, schlank und ungefähr in meinem Alter, maximal drei oder vier Jahre älter als ich. Seine braunen Haare waren kurzgeschnitten, wirkten aber etwas widerspenstig. Und was das Wichtigste war: Er sah insgesamt zwar nicht schlecht aus, war aber auch nicht übermäßig attraktiv, eher guter Durchschnitt. Und damit war er genau der Richtige für meinen Plan.
Er blickte erst auf, als ich direkt vor ihm stand. Für einen winzigen Moment geriet meine Entschlusskraft ins Wanken, als ich in zwei faszinierende blaue Augen sah.
Aber ich
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