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Eine besondere Herzensangelegenheit

Eine besondere Herzensangelegenheit

Titel: Eine besondere Herzensangelegenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Mayfeldt
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sie vor allen anderen runterzuputzen. Sie hätte doch an der Uni überhaupt nichts zu suchen, und wenn sie unsere Sprache nicht beherrscht, sollte sie lieber zurück nach China gehen, bevor sie hier jemandem den Studienplatz wegnimmt. Ich war so sauer auf den Kerl, wusste aber gar nicht, ob ich ihn jetzt lieber anbrüllen oder ihm meine Tasche an den Kopf schmeißen sollte.
    Na ja, und dann bin ich wie ferngesteuert einfach aufgestanden und habe angefangen zu singen. Kennst du das »Lied des Volkes« aus Les Misérables? Ich liebe das Musical, und irgendwie passte das haargenau. Es geht darum, sich endlich aufzulehnen und sich nicht länger von einem Despoten unterdrücken zu lassen.
    Du kannst dir sicher vorstellen, dass nicht nur Beiermann sprachlos war, sondern auch alle anderen im Raum. Ehrlich gesagt kann ich nicht einmal genau sagen, ob sie geschockt waren darüber, dass ich gesungen habe, oder wie ich gesungen habe. Meine Singstimme hört sich nämlich in etwa so melodisch an wie die einer Krähe im Stimmbruch.
    Nachdem ich die ersten zwei Zeilen hinter mir hatte, dachte ich wirklich, ich müsste im Boden versinken, so wie mich alle angestarrt haben. Aber plötzlich haben drei der anderen mitgesungen, und der Rest – der wahrscheinlich den Text nicht kannte – hat zumindest den Rhythmus mitgeklatscht. Es war einfach unglaublich!
    Leider habe ich in der Hektik nicht daran gedacht, Beiermanns Reaktion zu filmen. Das wäre auf Youtube der Renner geworden. Er hat sich erst weißlich, dann ganz lila verfärbt, und ich hätte schwören können, dass vor lauter Zorn kleine Dampfwölkchen aus seinen Ohren aufgestiegen sind. Dann hat er wortlos seine Tasche geschnappt und ist zur Tür rausgestampft wie ein kleines Kind.
    Ich denke also, ich habe meine Wochenaufgabe erfüllt, auch wenn ich dafür den Schein für das Seminar eingebüßt habe. Ist zwar ziemlich ärgerlich, weil ich mich wirklich angestrengt hatte dieses Semester, aber leider nicht zu ändern. Mach ich‘s halt nächstes Semester noch mal. Irgendwie war es das schon wert. Den blöden Gesichtsausdruck von Beiermann werde ich jedenfalls nie wieder vergessen.
     
    Wow! Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück und ließ mir Lilys Schilderung noch einmal durch den Kopf gehen.
     
    Gut gemacht , schrieb ich dann zurück. Das nenne ich wirklich Zivilcourage. Ich weiß nicht, ob ich so mutig gewesen wäre. Nein, eigentlich weiß ich es doch: Ich wäre es niemals gewesen. Deshalb gibt es von mir einen Extra-Applaus.
    Und als Belohnung darfst du uns jetzt die nächste Herausforderung aussuchen.
     
    Ich trank einen großen Schluck Milchkaffee, während ich auf ihre Antwort wartete. Dass ich das besser hätte nicht tun sollen, zeigte sich ein paar Sekunden später, als ich las, was sie geschrieben hatte.
     
    Nicht, bevor du mir nicht eine Frage beantwortet hast: Triffst du ihn wieder?
     
    Vor Schreck verschluckte ich mich und musste husten. Um nicht den Kaffee dabei auf meine Tastatur zu spucken, presste ich schnell die Hand vor den Mund. Das Ergebnis war fatal. Die dunkle Flüssigkeit spritzte zwischen meinen Fingern hervor und überzog meinen Monitor, den Schreibtisch und auch noch meine Bluse mit dekorativen Sprenkeln.
    In diesem Moment war ich äußerst froh, dass ich mit Lily nur per E-Mail und nicht über einen Video-Chat kommunizierte.
     
    Wen? , fragte ich zurück, nachdem ich mit dem Ärmel den Monitor einigermaßen saubergewischt hatte. Die Bluse musste ohnehin in die Wäsche, und um den Rest konnte ich mich später kümmern. Ich stellte mich ahnungslos, obwohl ich natürlich genau wusste, wen sie meinte. Ich musste ein bisschen Zeit gewinnen.
     
    Den Typen mit dem charmanten Lächeln, diesen Sebastian. Er scheint dir ja ziemlich gut gefallen zu haben.
     
    Ich verdrehte die Augen. Hätte ich Lily bloß nichts davon geschrieben, dass ich noch ständig an dieses Lächeln denken musste.
     
    Er hat mich einfach mit seiner Schlagfertigkeit beeindruckt, das ist alles , wehrte ich ab. Außerdem weiß ich ja nur seinen Vornamen. Selbst wenn ich wollte, wäre es wahrscheinlich ziemlich schwierig, ihn zu finden.
     
    Lilys folgender Vorschlag war naheliegend.
     
    Du könntest einfach noch mal ins Grottenolm gehen. Vielleicht ist er ja öfter dort.
     
    Ich schüttelte vehement den Kopf, während ich tippte.
     
    Bist du verrückt? Nach der Blamage letzte Woche setze ich garantiert nie wieder einen Fuß in den Laden!
     
    Selbstverständlich würde ich ihr

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