Eine besondere Herzensangelegenheit
zwar den Eindruck gehabt, dass Mona wirklich an einer Versöhnung interessiert war, aber ich wollte mir einfach noch nicht zu viele Hoffnungen machen.
Wieder öffnete Tobias die Tür. »Hallo Isabelle, da bist du ja wieder«, meinte er mit einem schiefen Grinsen. »Mona ist im Wohnzimmer. Komm mit, ich bringe dich zu ihr.«
Er führte mich in ein kleines, aber sehr edel eingerichtetes Wohnzimmer. Mona saß auf dem Sofa und sah mir entgegen. Der Rollstuhl war nicht zu sehen. Wahrscheinlich hatte Tobias ihn nach draußen geschoben. Hätte ich nicht gewusst, was mit Mona war, wäre ich niemals auf die Idee gekommen, dass irgendetwas mit ihr nicht stimmen könnte. Sie sah wunderschön aus, wie sie da saß – und ganz gesund.
Allerdings drückte auch ihre Miene Unsicherheit aus. Offensichtlich war sie ebenso nervös wegen unseres Wiedersehens wie ich.
»Hi«, sagte ich verlegen.
»Hallo Isabelle.« Mona wies auf einen Sessel, der ihrem Sofa gegenüberstand. »Setz dich doch.«
Folgsam setzte ich mich auf die Kante der Sitzfläche. Als Tobias uns anbot, etwas zu trinken zu bringen, nahm ich dankend an. Ich brauchte in diesem Moment etwas, um mich daran festzuhalten, und wenn es nur ein Glas Wasser war.
Nachdem er uns die Getränke auf den Tisch gestellt hatte, verließ er mit einem beiläufigen »ich lass euch dann mal besser allein« den Raum und schloss die Tür hinter sich.
Mona strich sich durch die dunkelblonden Haare und lächelte mich verlegen an. »Ich bin wirklich froh, dass du noch einmal hergekommen bist«, meinte sie. »Es war echt fies von mir, dich einfach rauszuschmeißen.«
»Na ja, du hattest ja allen Grund dazu«, gestand ich ein. »Wenn es einer verdient hat, rausgeschmissen zu werden, dann bin das wohl ich.«
Mona lachte. »Wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen, dass ich in der ersten Zeit nach dem Unfall ziemlich sauer auf dich war. Da habe ich mir häufiger vorgestellt, dass du kleinlaut angekrochen kommst und ich dir ganz souverän einen Tritt in den Hintern verpasse. Verbal natürlich, anders geht es ja nicht mehr. Aber in meiner Vorstellung habe ich mich hinterher immer saugut gefühlt. In der Realität war das leider überhaupt nicht so.«
»Und das bist du jetzt nicht mehr?«, hakte ich zögernd nach. »Ich meine, sauer auf mich?«
Mona dachte ein paar Sekunden nach. Dabei zog sie wie früher die Nase kraus. »Nein, ich denke nicht. Vielleicht noch ein bisschen enttäuscht, aber irgendwie verstehe ich dich auch. Dabei habe ich es dir übrigens nie übel genommen, dass du damals die Idee zu diesem Balanceakt hattest. Nur, dass du mich dann einfach nicht mehr besucht hast und auch keinen meiner Briefe oder Anrufe beantwortet hast, das fand ich wirklich völlig daneben. Aber auch das sehe ich inzwischen in bisschen anders.«
Sie rückte ihre Sitzposition zurecht, indem sie sich auf den Armen abstützte. »Weißt du, Tobias hat mir erzählt, dass es in der Psychologie etwas gibt, das die Fachleute »Überlebensschuld« nennen. Hast du schon mal davon gehört?«
Als ich den Kopf schüttelte, fuhr sie fort. »Bei schlimmen Unglücken, zum Beispiel bei Flugzeugabstürzen, wenn viele Menschen sterben, fühlen sich die Überlebenden schuldig, eben weil sie Glück hatten und die anderen nicht. Ich glaube, bei dir ist das etwas Ähnliches. Wir waren beide auf der Brücke. Mir ist etwas passiert und dir nicht, also fühlst du dich schuldig.«
»Das ist es nicht«, widersprach ich. »Ich fühle mich nicht schuldig, ich bin es. Schließlich war es meine Idee, überhaupt auf das Brückengeländer zu klettern.«
»Und es war meine eigene Blödheit, bei so einem Schwachsinn mitzumachen«, warf Mona schroff ein. »Du hast mir weder eine Knarre an die Schläfe gehalten, damit ich da raufsteige, noch hast du mich von der Brücke geschubst. Also schlag dir das mit dem schuldig sein mal ganz schnell aus dem Kopf.«
»Aber ich ...«, begann ich, doch Mona ließ mich gar nicht ausreden.
»Vergiss es! Ich gebe dir nicht die Schuld, da brauchst du das auch nicht zu tun.« Plötzlich verzog sich ihr hübscher Mund zu einem süffisanten Lächeln. »Außerdem muss ich zugeben, dass mein Sturz erstaunlicherweise nicht nur negative Folgen für mich hatte.«
Ich runzelte die Stirn. »Nicht nur negative Folgen? Wie meinst du das?«
»Tobias«, gab Mona knapp zurück. Sie lachte über meinen Gesichtsausdruck, der wahrscheinlich wie ein großes Fragezeichen aussah. »Nach der Reha musste ich regelmäßig zu
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