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Eine betoerende Schoenheit

Eine betoerende Schoenheit

Titel: Eine betoerende Schoenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherry Thomas
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eigenen Gefühle. Sie schenkte ihm ein außergewöhnliches Maß an Aufmerksamkeit, war aber in einem noch größeren Maße beleidigt, wenn er ihr Beachtung schenkte. Das faszinierte ihn mehr als ihre Identität oder der Grund, warum sie ihr Gesicht verbarg.
    Es war ein seltsames, aber nicht unbedingt unangenehmes Gefühl, sich gedanklich mit einer anderen Frau zu befassen als Mrs Easterbook.
    Zu schade, dass die Baronin nichts mit ihm zu tun haben wollte.
    Eigentlich hätte es Venetia mit Genugtuung erfüllen sollen, dass sie Lexington so vor den Kopf gestoßen hatte. In Wahrheit hatte sie ihn allerdings gar nicht abgewiesen. Sie war wie ein junges Mädchen vor dem ersten Jungen, der mehr wollte, als nur mit ihr zu flirten, vor allem geflohen, was an und in ihm männlich, selbstsicher und voller Kraft war.
    Statt sich selbst dazu zu gratulieren, dass sie sich mit ihren Verlusten abgefunden und das wahnwitzige Ziel aufgegeben hatte, verbrachte sie den Rest des Tages vor sich hin brütend. War sie wirklich eine so nutzlose Frau? Hatte Tony recht damit gehabt, ihr vorzuwerfen, dass alles, was sie war, auf ihrem Aussehen beruhte? Blieb ihr ohne die Vorteile, die ihr Gesicht ihr verschaffte, keine Hoffnung, sich gegen Lexington behaupten zu können?
    Sie starrte ihr Spiegelbild an. Miss Arnaud, die Kammerzofe, die sie gebeten hatte, ihr beim Ankleiden für das Abendessen zu helfen, hatte ihr Haar zu einem makellosen Nackenknoten frisiert, was ihr Gesicht betonte. „So ist es besser“, hatte sie versichert. „Madame sind so schön, nichts darf das verdecken.“
    Venetia konnte das nicht beurteilen. Sie sah eine Ansammlung von Eigenschaften und Merkmalen, die ihr oft ein wenig eigentümlich vorkam: Ihre Augen standen sehr weit auseinander, ihr Kinn war für ihren Geschmack eher zu breit, ihre Nase war weder zierlich noch niedlich – sie war eigentlich sogar recht lang.
    Doch all das war in Anbetracht der Umstände bedeutungslos. Um ihn zu erobern, musste sie den Krieg mit anderen Waffen als mit ihrer Schönheit führen.
    Zumindest wenn sie den Mut fand, ihn noch einmal aufzusuchen.
    Der Gedanke daran, seine Hände auf ihrer Haut zu spüren, ließ sie erschauern. Aber nicht unbedingt nur aus Widerwillen. Auch wenn sie ihn noch so sehr verachtete, er war ein gutaussehender Mann, und sein kalter Verstand und seine stoische Gelassenheit fesselten sie in gewisser Weise.
    Sie musste ihre Entscheidung schnell treffen. Sie hatte Miss Arnaud schon vor einer Weile fortgeschickt. Im Speisesaal würde man bereits den letzten Gang des Abendessens servieren. Wenn sie ihn an diesem Abend verpasste, hätte er bis zum nächsten Tag mit großer Wahrscheinlichkeit eine andere Geliebte gefunden.
    Eine Mischung aus Angst, Abscheu und dem feurigen, widernatürlichen Verlangen, sich diesen Mann gefügig zu machen, ließ sie erneut erbeben.
    Sie griff nach ihrem verschleierten Hut.
    Es schien, als sei ihr Entschluss gefasst.
    Sich fortzubewegen war schwieriger, als sie erwartet hatte. Sie wusste, dass die Rhodesia in einen heftigen Sturm geraten war. Doch da sie die Zeit damit verbracht hatte, auf einem festgeschraubten Stuhl zu sitzen und abwechselnd ihre geistige Gesundheit anzuzweifeln und rasend vor Wut mit ihrer Feigheit zu hadern, hatte sie nicht begriffen, wie unruhig der Atlantik inzwischen geworden war.
    Auf den mahagonigetäfelten Gängen torkelte sie wie eine Betrunkene von einer Schiffswand zur anderen. Es war nicht so schlimm, wenn sich der Boden vor ihr hob. Doch jedes Mal, wenn er absackte, befand sie sich einen Moment lang in einem beunruhigend schwerelosen Zustand.
    Die Lampen des Schiffes flackerten. Der Gang unter ihren Füßen neigte sich in einem derartigen Winkel, dass Kinder ihn als Rutsche hätten benutzen können. Sie griff nach einem Türknauf in der Nähe, um sich auf den Beinen zu halten. Die Rhodesia , die das Tal der Welle erreichte, begann, sich wieder aufzurichten. Venetia klammerte sich an einem Wandleuchter fest, um nicht nach hinten zu taumeln.
    Man erreichte den Speisesaal über eine große Treppe, die ein Fries aus japanischem Goldpapier säumte. Die mit Schnitzereien verzierte Teakholzvertäfelung konnte sie nicht sehen, da ihr Damen mit Schmuckfedern im Haar und Herren im Frack entgegenströmten, die sich alle am Geländer festklammerten.
    Panik stieg in ihr auf. War das Abendessen schon beendet? Kam sie zu spät? Da sich jedoch Lexington nicht unter den Entgegenkommenden befand, drang sie weiter vor und

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