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Eine betoerende Schoenheit

Eine betoerende Schoenheit

Titel: Eine betoerende Schoenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherry Thomas
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selbst. Auch wenn sie ihre Sorgen für wichtig genug halten würde, um den Herrgott damit zu belästigen, blieb die Tatsache bestehen, dass sie keine Ahnung mehr hatte, wie diese verpatzte Rache für sie ausgehen sollte. So lag sie lange da, die Hände auf dem Unterleib gefaltet, und dachte über die zahllosen Ereignisse und Zufälle nach – angefangen damit, dass Hastings Helena an drei Gelegenheiten in drei Nächten hintereinander gesehen hatte, wo sie nichts zu suchen gehabt hätte –, all das, was dazu geführt hatte, dass sie sich zu dieser Zeit an diesem Ort und in dieser misslichen Lage befand.
    Sie wünschte, sie hätte eine Kristallkugel, um darin zu sehen, wo all dies enden würde.

KAPITEL 6
    ***
    Das Meer hatte sich beruhigt, doch die Rhodesia pflügte nun durch nicht enden wollenden Regen und eiskalte Winde. Nur wenige Seelen waren auf dem Promenadendeck unterwegs. Der Atlantik war eine einzige, riesige Fläche aus kaltem, diesigem Grau, das in seiner Tristesse nur gelegentlich durch das beherzte Springen eines Delfins erhellt wurde.
    Lexington blickte auf seine Taschenuhr. Sie war seit fünfzehn Minuten für ihren Spaziergang überfällig. Er zitierte einen Steward zu sich. Der Mann sollte der Baronin einen Gruß von ihm ausrichten. Es war keine besonders raffinierte Art, sie an ihre Verabredung zu erinnern, aber sie wusste längst, dass er kein Mann verdeckter Anspielungen war.
    Gerade als er dem Steward genauere Anweisungen gab, kam sie in einem wetterfesten, schwarzen Garbardinemantel um die Ecke. Der Wind bekundete großes Interesse an ihrem Regenschirm und ließ ihn in alle Richtungen flattern. Eine andere Frau hätte verkrampft und unbeholfen ausgesehen, sie aber bewegte sich mit der Würde und Grazie einer Primaballerina, die die Bühne betrat.
    Er bedeutete dem Steward zu gehen. „Sie sind spät dran, Madam.“
    „Gewiss“, antwortete sie bestimmt. Der Schleier, den sie mit einem Band um ihren Hals befestigt hatte, damit er dem Wind standhielt, wehte in ihr Gesicht, sodass sich unter dem Stoff volle Lippen und hohe Wangenknochen abzeichneten. „Damen sind keine Kutschen. Man kann nicht von uns erwarten, dass wir genau zur verabredeten Uhrzeit eintreffen.“
    Es war die reizendste aller albernen Entschuldigungen, die er je gehört hatte. „Wozu verabredet man sich dann zu einer bestimmten Uhrzeit?“
    „Sie wurden schon oft zum Abendessen eingeladen, obwohl Sie die feine Gesellschaft für gewöhnlich meiden, nicht wahr?“
    „Ich habe mich noch keiner Londoner Saison ausgesetzt, aber ich meide Gesellschaft keineswegs, wenn ich zuhause bin. Ich esse bei Nachbarn zu Abend. Ich war sogar bekannt dafür, ein guter Gastgeber zu sein.“
    Ein heftiger Windstoß entriss ihr fast den Regenschirm. Er half ihr, ihn festzuhalten, indem er seine Hand um ihre legte. Aber nachdem der Wind abgeflaut war, ließ er nicht wieder los.
    Sie warf ihm einen Blick zu – den er als streng bewertete. Als sie aber wieder zu sprechen begann, klang ihre Stimme in keiner Weise hart.
    „Worüber sprachen wir gerade?“
    Aus irgendeinem Grund setzte sein Herzschlag einen Augenblick lang aus. „Abendessen.“
    „Stimmt.“ Sie entzog den Schirm und ihre behandschuhte Hand seinem Griff. „Man setzt sich nicht sofort zu Tisch, wenn man zum Abendessen eingeladen ist. Stattdessen spaziert man ein wenig umher, wechselt ein paar freundliche Worte mit den anderen Gästen. Genauso verhält es sich mit Verabredungen mit Damen. Man wartet, geht auf und ab, denkt an sie – das macht ihre Ankunft nur noch schöner und bedeutsamer.“
    Er legte größten Wert auf Pünktlichkeit. Keiner anderen Frau hätte er eine derartige Verspätung durchgehen lassen, und dennoch ertappte er sich dabei zu lächeln. „Meinen Sie das ernst?“
    Sie neigte den Kopf. „Meine Güte, haben Sie noch nie in Ihrem Leben auf eine Frau gewartet?“
    „Nein.“
    „Hm. Lassen Sie uns nicht hier herumstehen.“ Sie setzte sich mit schnellen Schritten in Bewegung.
    „Ich nehme an, es ist normal, dass Mätressen eher auf Sie warten als andersherum. Aber ich kann nicht glauben, dass Sie nie das Vergnügen hatten, eine Dame an Ihrer Seite zu haben.“
    „Das hatte ich, aber die, die nicht rechtzeitig eintrafen, mussten jedes Mal feststellen, dass ich bereits gegangen war.“
    Er fragte sich, ob er zu schroff klang. Es war nicht seine Absicht, ihr Vorwürfe zu machen, er wollte ihr nur wahrheitsgemäß antworten.
    „Sie sind noch hier“, murmelte

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