Eine betoerende Schoenheit
in ihrem Bann hielt. An diesem Abend hatte er jedoch kein einziges Mal an Mrs Easterbrook gedacht. „Sind Sie hinterher immer so gereizt?“
„Möglich. Ich kann mich nicht entsinnen.“
„War der verstorbene Baron ein schlechter Liebhaber?“
„Das hätten Sie gern, nicht wahr?“
Er glaubte nicht, dass es ihn schon einmal interessiert hatte, ob eine Frau bessere oder schlechtere Liebhaber als ihn gehabt hatte. Doch in diesen Fall musste er sich eingestehen, dass er eine bestimmte Antwort hören wollte. „Ja. Am liebsten wäre es mir, wenn er vollkommen nutzlos gewesen wäre – am besten impotent.“
Er wollte der Einzige sein, der sie zu einem beseligenden Höhepunkt nach dem anderen gebracht hatte.
„Es tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen. Er war kein Liebesgott, aber er hat sich nicht ungeschickt angestellt.“
„Wie nonchalant Sie mir einen Strich durch die Rechnung machen, Baronin.“ Ihm kam ein Gedanke. „Was war dann das Problem?“
„Bitte?“
„Er war ein respektabler Liebhaber, und dennoch haben Sie sich nach seinem Tod auf sich selbst beschränkt … auf das Geschick Ihrer eigenen Hände, und Sie haben nicht seines Andenkens wegen enthaltsam gelebt. Hat er Sie betrogen?“
Sie blieb stehen. Nicht lange – fast im selben Augenblick ging sie weiter, allerdings nun schneller als vorher. Seine Antwort hatte er dennoch erhalten.
„Er war ein Dummkopf“, stellte er fest.
Sie zuckte die Achseln. „Es ist lange her.“
„Nicht alle Männer sind Schürzenjäger.“
„Ich weiß. Ich habe beschlossen, mich von Männern fernzuhalten, weil ich mir nicht mehr zutraue, die richtige Wahl zu treffen, nicht, weil ich den Glauben an sie alle verloren hätte.“
„Das tut mir leid.“
„Ungebunden zu sein hat Vorteile.“ Sie wandte ihm den Kopf zu. „Wenigstens war ich einmal verheiratet. Was ist Ihre Entschuldigung? Sollte ein Mann mit einem so vornehmen Titel nicht schon längst ein oder zwei Erben hervorgebracht haben?“
Er merkte, dass sie das Thema gewechselt hatte. Und das geschickt.
„Ja, das sollte er, und ich habe keine Entschuldigung, nicht meine Pflicht zu tun. Ich befinde mich auch auf dem Weg zur Londoner Saison.“
„Sie klingen nicht besonders enthusiastisch. Die Idee zu heiraten gefällt Ihnen nicht?“
„Ich habe nichts gegen die Institution Ehe, aber ich glaube nicht, dass ich damit glücklich werde.“
„Warum nicht?“
Wiederum führte ihre Anonymität dazu, dass er offen über Dinge sprach, die er anderen gegenüber nicht mal im Entferntesten erwähnt hätte.
„Es ist keine Frage, dass ich heiraten muss – und zwar schon bald. Aber ich habe wenig Hoffnung, eine junge Frau zu finden, die zu mir passt.“
„Sie meinen, keine Frau ist gut genug für Sie.“
„Im Gegenteil. Abgesehen von meiner Herkunft habe ich einer Frau wenig zu bieten. Ich bin weder besonders gesellig noch gesprächig, begebe mich lieber auf Expeditionen oder vergrabe mich in meinem Arbeitszimmer unter Büchern, und selbst wenn ich Lust dazu habe, mich im Salon aufzuhalten und ein wenig zu plaudern, bin ich nicht gerade umgänglich.“
„Das sind Schwächen, die Ihnen viele Frauen liebend gern nachsehen würden.“
„Ich will nicht, dass man mir meine Schwächen nachsieht. Mein Personal muss mit meinen Marotten leben, ob es nun will oder nicht. Meine Frau sollte den Mut haben, mir zu sagen, dass ich mich furchtbar benehme – wenn das der Fall ist.“
„Sie wissen also, dass Sie sich manchmal schrecklich verhalten“, sinnierte sie. „Wenn Sie doch aber derart hohe Anforderungen an eine Frau stellen, wenn sie in hohem Maß intelligent, tiefgründig und unerschrocken sein soll, warum haben Sie dann nicht früher mit der Suche angefangen? Warum beschränken Sie sich dann auf eine Saison und einen Schwung Debütantinnen? Das ist keine besonders kluge Vorgehensweise.“
Das war es sicher nicht. Er war die Sache auf die dümmstmögliche Weise angegangen, hatte sich selbst versichert, die Ehe stelle eine rein formelle unnatürliche Verbindung dar. Aber das konnte er nicht zugeben, ganz egal, wie wenig er die Baronin kannte.
„Ich werde unzweifelhaft dafür bezahlen.“
„Sie klingen sehr britisch, voll männlicher Duldsamkeit und Resignation.“
Ihr bitterer Tonfall gefiel ihm ausnehmend. „Wir sind in solchen Angelegenheiten recht leidenschaftslos. Das Streben nach Glück überlassen wir den Amerikanern, und romantische Liebesabenteuer sind in unseren Augen die
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