Eine betoerende Schoenheit
Enttäuschung heruntergeschluckt und sich stattdessen ganz seinen Pflichten gewidmet.
Es war nicht würdelos, wenn ein Mann in der Abgeschiedenheit seines eigenen Zuhauses vor sich hin pfiff. Sie wünschte sich nur, dass er das schon früher getan hätte. Dass es keines Briefes von Mrs Engelwood bedurft hätte, um ihm Anlass dazu zu geben.
Sie fand, sie hatten auch gute Zeiten erlebt. Die Weihnachtsfeierlichkeiten in Henley Park waren eine liebgewonnene Tradition geworden. Ihre Freunde freuten sich schon im Voraus auf ihren jährlichen Jagdausflug im August. Ganz zu schweigen davon, welchen Erfolg sie damit gehabt hatten, die nahezu insolvente Firma Cresswell & Graves wieder zu einem florierenden Unternehmen zu machen.
Allerdings hatte ihn keines dieser Dinge je dazu gebracht zu pfeifen.
Es war auch nicht nur das Pfeifen. Es war sein entrückter Blick, das heimliche Lächeln auf seinen Lippen. Sein gesamtes Gebaren hatte sich verändert. Er war vom pflichtbewussten, verheirateten Mann, der sich mit Buchhaltung, Pächtern und Bankiers herumschlug, wieder zu einem unbeschwerten, jungen Mann geworden, der nur seine Träume und die Abenteuer, die auf ihn warteten, im Sinn hatte.
Der Junge, der er gewesen war, ehe das Schicksal zugeschlagen hatte.
Das war etwas, was Millie nie mit ihm würde teilen können: die wunderbare, sorglose Zeit, die er in seiner Jugend erlebt hatte, ehe sie in sein Leben getreten war und dem ein Ende gesetzt hatte.
„Ich hoffe, ich habe euch keine zu großen Schwierigkeiten damit bereitet, aus heiterem Himmel ein Familienessen anzuberaumen.“
Venetias Stimme riss Millie unsanft aus ihren Gedanken. Ihre Schwägerin schlenderte in den Salon und sah unbeschreiblich schön dabei aus. „Nein, natürlich nicht“, sagte Millie. „Ich war ohnehin schon zuhause und freue mich sehr über Gesellschaft.“
Fitz legte den Bericht beiseite und lächelte seine Schwester an. „Hast du uns seit dem Frühstück vermisst, oder gibt es einen anderen Grund für …“
Er verstummte mit einem Mal. Millie sah es im gleichen Augenblick: der Ring an Venetias linker Hand.
„Ja“, sagte Venetia mit einem Blick auf ihren Ehering. „Ich habe heimlich geheiratet.“
Millie sah völlig entgeistert ihren Mann an, der gar nicht so verblüfft schaute, wie sie erwartet hatte.
„Wer ist der Glückspilz?“, fragte er.
Venetia strahlte. Millie konnte nicht sagen, ob es wirklich vor Freude war, aber es war ein so strahlendes Lächeln, dass kleine Punkte vor ihren Augen tanzten. „Lexington.“
Endlich sah Fitz so schockiert aus, wie Millie sich fühlte. „Interessante Wahl.“
Helena kam schwungvoll in den Raum. „Warum sprechen wir schon wieder über Lexington?“
Venetia streckte Helena die linke Hand hin. Der goldene Ring an ihrem Finger glänzte matt. „Wir haben geheiratet, Lexington und ich.“
Helena brach in Gelächter aus. Als sich ihr niemand anschloss, hielt sie mit offenem Mund inne. „Das ist nicht dein Ernst, Venetia. Das ist unmöglich.“
Venetias Fröhlichkeit ließ in keiner Weise nach. „Als ich das letzte Mal nachsah, war heute nicht der erste April.“
„Aber warum?“, rief Helena.
„Wann?“, fragte Fitz im selben Augenblick.
„Heute Vormittag. Die Bekanntgabe wird morgen in der Zeitung stehen.“ Venetia lächelte erneut. „Ich kann es nicht erwarten, sein Museum zu sehen.“
Millie brauchte einen Moment, um sich an Lexingtons private naturgeschichtliche Sammlung zu erinnern und daran, mit welcher Begeisterung Venetia davon gesprochen hatte. Doch das war auf einem anderen Kontinent passiert und eigentlich nur Theater gewesen. War Venetias scheinbare Freude auch nur gespielt?
„Aber warum so früh?“, fragte sie.
„Und warum hast du uns nichts gesagt?“ Helena war außer sich. „Wir hätten dich vor dieser schrecklichen Entscheidung bewahren können.“
Fitz zog die Brauen zusammen. „Helena, hältst du das für eine angemessene Art, mit Venetia an ihrem Hochzeitstag zu sprechen?“
„Du warst nicht dabei“, sagte Helena eindringlich. „Du hast all die abscheulichen Dinge nicht gehört, die er über sie gesagt hat.“
Fitz musterte Venetia. Sein Blick fiel auf ihre Taille. Es war ein flüchtiger, diskreter Blick. Wäre Millie nicht äußerst aufmerksam gewesen, hätte sie ihn nicht bemerkt.
„Sei bitte ehrlich zu mir, Venetia“, sagte er. „Hast du deine Überfahrt genossen?“
Die Frage schien völlig zusammenhanglos. Zu Millies Überraschung
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