Eine bezaubernde Braut
bekannt, und er war auch der Neugierigste von ihnen.
Er wollte ganz genau spüren, wie die Flüssigkeit auf einer offenen Wunde wirkte, deshalb legte er seinen Arm auf das Handtuch, das Annie auf dem Tisch liegen gelassen hatte, und befahl ihr: »Schüttet etwas von der Flüssigkeit auf diesen Schnitt. Ich möchte wissen, wie es sich anfühlt.«
Falls Annie glaubte, dass seine Bitte verrückt war, so war sie doch klug genug, keine Bemerkung darüber zu machen. Ihr war, als sei sie in einer Höhle, zusammen mit einer Familie von Bären. Diese Männer waren die wildesten Krieger in den Highlands. Sie fühlten sich schnell beleidigt und reagierten blitzschnell, und sie waren Angst einflößende Feinde. Dennoch waren sie gleichzeitig die besten Verbündeten. Annie schätzte sich glücklich, mit den Buchanans verwandt zu sein, denn das bedeutete, dass sie und ihr Mann nie Opfer der anderen, angeblich zivilisierten Clans werden würden.
Sie trat vor, um Liam seinen Wunsch zu erfüllen. »Euer Schnitt ist unbedeutend gegenüber den Wunden der Lady«, meinte sie. »Deshalb wird es auch bei weitem nicht so wehtun.«
Nachdem sie diese Bemerkung gemacht hatte, senkte sie den Topf und ließ die Flüssigkeit auf den Schnitt rinnen. Liam reagierte nicht. Nachdem seine Neugier befriedigt war, nickte er Annie zu und ging nach draußen. Brodick und die anderen folgten ihm. Sie standen um ihn herum und warteten darauf, dass er ihnen berichtete. Aaron lächelte wissend, als Liam endlich sprach, denn seine Stimme klang wie das Quaken eines ertrinkenden Frosches.
»Es hat wehgetan wie ein Teufelsbiss«, flüsterte er. »Ich weiß nicht, wie das Mädchen das ertragen konnte.«
Robert kam zu ihnen herüber, Alec trug er wie einen Mehlsack über seiner Schulter. Das Kind quietschte vor Vergnügen, bis es feststellte, dass Gillian nicht da war. Ein Blick nackten Entsetzens lag auf seinem Gesicht, als er von Roberts Schulter hinunter auf den Boden rutschte und dann Gillians Namen schrie, so laut er nur konnte. Robert legte dem Jungen eine Hand auf den Mund, um ihn zum Schweigen zu bringen.
»Sie ist gleich hinter den Bäumen, Alec. Sie kommt bald zurück. Beruhige dich.«
Tränen rannen über die Wangen des Jungen, als er zu seinem Onkel lief. Brodick hob ihn hoch und tätschelte ihm den Rücken. »Ich habe ganz vergessen, wie jung du noch bist, mein Junge«, erklärte er mit rauer Stimme. »Gillian hat dich nicht verlassen.«
Alec schämte sich, dass er in Panik ausgebrochen war, er verbarg sein Gesicht an Brodicks Hals. »Ich dachte, sie wäre weggegangen«, gestand er.
»Hat sie dich denn schon einmal verlassen, seit du sie kennst?«
»Nein … aber manchmal … bekomme ich Angst«, flüsterte er. »Früher war das nicht so.«
»Das ist schon in Ordnung«, beruhigte Brodick ihn, dann fügte er mit einem Seufzer hinzu: »Du bist jetzt in Sicherheit. Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas zustößt.«
»Das hat Gillian auch gesagt«, erinnerte sich Alec wieder. »Sie hat gesagt, sie wird nicht zulassen, dass mir jemand etwas tut, niemals.« Er hob den Kopf und starrte in Brodicks Augen. »Du musst aber auch auf sie aufpassen, denn sie ist doch nur eine schwächliche Lady.«
Brodick lachte. »Ich habe bis jetzt noch nichts Schwächliches an ihr feststellen können.«
»Aber das ist sie trotzdem. Manchmal weint sie, wenn sie denkt, dass ich schlafe. Ich habe ihr gesagt, dass sie dich braucht. Ich möchte nicht, dass ihr noch einmal jemand wehtut.«
»Ich werde nicht zulassen, dass ihr jemand wehtut«, versicherte Brodick dem Kind. »Und jetzt hör auf, dir Sorgen zu machen, und geh mit Robert, um sein Pferd zu holen. Wir werden sofort weiterreiten, wenn Gillian von ihrem Spaziergang zurückkommt.«
Gillian kehrte erst nach mehr als zehn Minuten zurück, und nach einem Blick in ihre roten Augen war es offensichtlich, dass sie geweint hatte. Brodick wartete bei seinem Hengst, während sie sich bei Annie bedankte, und als sie dann zu ihm herüberkam, hob er sie in den Sattel und schwang sich dann hinter sie. Sie war so erschöpft von der Tortur, dass sie gegen ihn sank.
Brodick war plötzlich überwältigt von dem Wunsch, sie zu beschützen und zu trösten. Er versuchte, so sanft wie möglich mit ihr umzugehen, als er sie auf seinen Schoß setzte, dann legte er seinen Arm um sie und hielt sie fest. Es dauerte nur wenige Minuten, bis sie eingeschlafen war. Er drängte sein Pferd voran und bettete Gillian in seiner Armbeuge,
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