Eine bezaubernde Braut
hätte etwas deutlicher sein können, doch jetzt war es zu spät, um noch einmal von vorn zu beginnen.
Ihr Arm tat immer noch weh, doch waren die Schmerzen nicht mehr so stark wie am Morgen, und sie hoffte, dass das Fieber bald nachlassen würde. Am nächsten Morgen würde sie entweder wieder gesund sein oder tot. Im Augenblick fiel es ihr allerdings schwer zu entscheiden, was von beidem wohl besser wäre. Die Müdigkeit lag wie eine Last auf ihr. Vielleicht würde sie sich nach einem Bad besser fühlen, überlegte sie. Das Wasser sah in der Nähe des Ufers nicht sehr tief aus, der steinige Boden schien glatt zu sein, und sie würde natürlich vorsichtig sein, um ihren Verband nicht nass zu machen.
Sie verfing sich in ihrer Tunika, als sie versuchte, sie über ihren Kopf zu ziehen, dann stieß sie sich den Arm, der sofort wie Feuer brannte.
Alles wurde ihr plötzlich zu viel. Sie brach in Tränen aus und sank in sich zusammen.
Doch noch ehe sie auf den Boden fallen konnte, fühlte sie starke Arme, die sie hielten und wieder auf die Füße stellten. Sie konnte nichts sehen, denn die Tunika hing vor ihrem Gesicht, doch sie wusste, dass Brodick ihr zu Hilfe gekommen war.
»Möchtet Ihr das anziehen oder ausziehen?«, fragte er brummig.
Sie nickte. Das war keine vernünftige Antwort, deshalb nahm er ihr die Entscheidung ab und zog ihr die Tunika über den Kopf. Er warf sie ins Gras, legte ihr den Finger unter ihr Kinn, und als er dann ihre Tränen sah, zog er sie in seine Arme. »Ihr könnt weinen, so viel Ihr wollt. Niemand ist hier, der Euch stören wird.«
Sie wischte sich mit seinem Plaid die Tränen aus den Augen. »Ihr seid hier«, flüsterte sie kläglich.
Er legte das Kinn auf ihren Kopf und hielt sie einfach nur fest, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Als sie sich ein wenig von ihm zurückzog, fragte er: »Geht es jetzt besser?«
»Ja, danke.«
Sie konnte selbst nicht glauben, was sie dann tat. Noch ehe sie sich zurückhalten konnte, stellte sie sich auf Zehenspitzen, schlang die Arme um seinen Hals und gab ihm einen Kuss auf den Mund. Ihre Lippen berührten die seinen nur für den Bruchteil einer Sekunde, doch es war trotzdem ein Kuss. Als ihr Verstand wieder einsetzte und sie sich von ihm zurückzog und ihn ansah, hatte er einen eigenartigen Ausdruck in seinem Gesicht.
Brodick wusste, dass sie ihren schnellen Entschluss bedauerte, doch als er in ihre strahlend grünen Augen starrte, wusste er mit einer Deutlichkeit, die ihn bis ins Innerste anrührte, dass sein Leben unwiderruflich verändert worden war durch diese zierliche, tapfere Person.
Benommen von ihrer eigenen Kühnheit, trat Gillian erschrocken zurück. »Ich weiß gar nicht, was über mich gekommen ist«, flüsterte sie.
»Wenn das alles vorüber ist …«
»Ja, Brodick?«
Er schüttelte den Kopf, für den Augenblick war er nicht bereit, noch mehr zu sagen, dann wandte er sich abrupt um und ging davon.
Was hatte er sagen wollen? Sie sehnte sich danach, hinter ihm herzulaufen und von ihm zu verlangen, es ihr zu erklären, doch dann änderte sie sehr schnell ihre Meinung. Wenn Brodick wollte, dass sie wusste, was er dachte, würde er es ihr sagen. Außerdem war sie ziemlich sicher, dass sie sehr genau wusste, was er hatte sagen wollen. Schon bald würde sie nach England zurückkehren, deshalb wäre es dumm, sich an ihn zu binden.
Warum in Gottes Namen hatte sie ihn nur geküsst? Hatte sie den Verstand verloren oder war sie ganz einfach nur dumm? Sie konnte im Augenblick keine derartigen Komplikationen gebrauchen, bei all den Schwierigkeiten, in denen sie sowieso schon steckte. Sie dachte daran, ihm nachzulaufen und ihm zu erklären, dass sie ihn eigentlich gar nicht hatte küssen wollen. Es war ganz einfach geschehen – eine spontane Tat, ausgelöst durch seine Freundlichkeit und ihre Neugier. Vielleicht sollte sie ganz einfach so tun, als wäre gar nichts geschehen, überlegte sie und berührte mit den Fingerspitzen ihre Lippen. Dann seufzte sie bedauernd auf.
Ein Bad, entschied sie, kam gar nicht in Frage, denn in ihrem benommenen Zustand würde sie wahrscheinlich ertrinken. Sie wusch sich so gründlich, wie es möglich war, dann ließ sie sich Zeit beim Ankleiden, während sie gleichzeitig versuchte, den Mut aufzubringen, zum Lager zurückzukehren und Brodick gegenüberzutreten.
Alle Buchanans saßen beieinander auf der anderen Seite der Lichtung und unterhielten sich, bis sie sahen, dass Gillian auf sie zukam. Ihr plötzliches
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