Eine bezaubernde Erbin
beständig. Eine Frau für alle Jahreszeiten.
Ihre Blicke trafen sich. Sie errötete und schaute weg, der personifizierte Anstand, obwohl sie doch in der Dunkelheit so völlig anders gewesen war, lauter unzüchtige Berührungen, heiße Küsse und verzücktes Stöhnen.
Ihr Ohr, das unter ihrem hochgesteckten Haar hervorlugte, war zart und köstlich. Ihr Profil war so erlesen wie das auf einer elfenbeinernen Kamee. Und waren ihre Wimpern schon immer so dramatisch lang und gebogen gewesen?
Als der Abend zu Ende war, fuhren Fitz und Millie allein nach Hause, da Helena im Stadthaus der Lexingtons zurückblieb.
In der Kutsche schwiegen sie beide. Er wusste nicht, was er davon halten sollte, dass es ihm plötzlich so schwer fiel, ein Wort an sie zu richten. Er schämte sich ganz sicher nicht – er würde sich in diesem Augenblick die Kleider vom Leibe reißen, wenn seine Nacktheit in einer fahrenden Kutsche mit offenen Fenstern sie nicht erschrecken würde. Aber doch war es eine Form von Scham, eine Scham des Geistes, vielleicht. Er hatte sich noch nicht an die Wirklichkeit ihrer Ehe gewöhnt, daran, mit einer Frau nach Hause zu fahren, für die er solche Hochachtung empfand – und mit ihr zu schlafen.
Ihre Zofe brauchte eine Ewigkeit, um sie bettfertig zu machen – die Königin hatte nicht so viel Zeit vor ihrer Krönung benötigt. Sobald sie gegangen war, öffnete Fitz die Verbindungstür.
Millie saß in ihrem Morgenrock am Frisiertisch und drehte die Haarbürste zwischen den Händen. Als er das Zimmer betrat, blickte sie ihn im Spiegel an und beobachtete ihn, wie er näher kam.
Konnte sie den Hunger in seinen Augen sehen? Den ganzen Tag über hatte er nur an das hemmungslose Geschöpf denken können, zu dem sie wurde, wenn sie all ihrer Kleider beraubt war.
Er hob das Ende ihres geflochtenen Zopfes und löste das Band, das die Strähnen zusammenhielt. Wie klein diese Dinge waren: die Bänder, Ösen und Verschlüsse, durch die Ordnung und Anstand gewahrt wurden. Ohne das Band löste sich der Zopf fast wie von selbst.
Ungebunden war ihr Haar noch immer ordentlich – es fiel wie ein Wasserfall gerade ihren Rücken hinunter –, aber es war bei Weitem nicht dieses einfache, helle Braun, das er immer gesehen hatte. Stattdessen war es voller Nuancen und Abstufungen, enthielt Strähnen in Gold, Bronze und sogar Kupferrot.
„Machst du das Licht aus?“ murmelte sie.
„Irgendwann.“
Jetzt wollte er sie sehen, ihr Haar, ihre Haut, ihr schönes, faszinierendes Gesicht.
Er teilte ihr Haar im Nacken, fuhr über jeden einzelnen Rückenwirbel und beobachtete ihr Spiegelbild. Vor fünf Jahren, vielleicht sogar vor drei, hätte er noch geglaubt, dass sie gar nicht reagierte, aber jetzt verstand er die Sprache ihres Mienenspiels sehr viel besser. Er sah das winzige Flattern ihrer Augenlider. Er erkannte auch, dass sie sich auf die Innenseite ihrer Lippe biss, denn ihre Unterlippe zog sich ganz leicht nach innen.
Er löste den Gürtel ihres Morgenrocks. Ihre Finger umklammerten die Haarbürste fester. Er zog sie aus dem Sessel hoch und schob ihr den Morgenrock von den Schultern.
Er hatte den Nachthemden von Frauen noch nie viel Beachtung geschenkt und wusste nur, dass sie so geschnitten waren, dass eine Frau in ihnen doppelt so breit aussah. Ihr Nachthemd bildete keine Ausnahme. Höchste Schneiderkunst musste aufgewandt worden sein, um es mit so vielen Falten auszustatten und so bauschig werden zu lassen.
Er raffte den Rock ihres Nachthemdes mit beiden Händen. Ihre Lippen teilten sich, als wollte sie protestieren. Aber sie sagte nichts, sondern atmete nur aus.
„Arme hoch.“
Sie gehorchte. Er zog ihr das Nachthemd über den Kopf und warf es beiseite. Einen Augenblick schien es so, als wollte sie sich verstecken, sich zusammenkauern. Aber all die Jahre, die sie mit Büchern auf dem Kopf umhergelaufen war, hielten sie davon ab, irgendetwas zu tun, wodurch sie ihre Haltung ruinieren würde. Sie stand sehr gerade da, die Brüste hoch und fest, die aufgerichteten Spitzen rosa, die Hüften rund.
„Bitte, mach das Licht aus.“
Er betrachtete sie noch ein paar Augenblicke, vorwiegend ihr Gesicht, den stockenden Atem, die Zunge, mit der sie sich über die Lippen fuhr – das Wechselspiel von Befangenheit und Hingabe.
Dann löschte er das Licht, fand sie in der Dunkelheit und küsste sie.
In ihrer dritten Nacht machte er das Licht nicht aus, als sie nackt vor ihm stand. Stattdessen legte er sie auf das Bett,
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