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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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weiß nicht, ob es gut war. Briefe hat er viel geschrieben, an alle möglichen Leute. Und Artikel für die Schülerzeitung, solche Sachen.«
    »Artikel für die Schülerzeitung?« Aus irgendeinem Grund erregte das sein Interesse.
    »In der letzten Ausgabe war einer, warte…« Sie sah einen kleinen Stapel dünner Hefte mit seltsamen Strichzeichnungen auf den Umschlägen durch. »Hier.«
    John nahm das Heft. Es trug den Titel Ritirata . Toilette. Er schlug das Inhaltsverzeichnis auf. Der Hauptbeitrag der Ausgabe trug den Titel Der Weg der Menschheit ins 2l. Jahrhundert, von Lorenzo Fontanelli. John spürte, wie sein Puls Gas gab.
    Es war unglaublich. Es war wirklich und wahrhaftig ein langer Artikel, der die Probleme, mit denen sich die Menschheit an der Schwelle zum neuen Jahrtausend konfrontiert sah, eingehend und umfassend analysierte. Und das auf knappen zehn Seiten. »Kann ich mir davon eine Kopie machen?«, fragte John mit trockenem Mund.
    »Du kannst das Heft mitnehmen. Ich habe noch ein paar Exemplare. Bitte, es würde mich freuen.«
    »Danke«, wollte John sagen, aber dazu fehlte ihm plötzlich der Atem. Er hatte zum Ende des Artikels geblättert und den letzten Absatz gelesen. Er las ihn fassungslos noch einmal.
    Das sind eine Menge Probleme auf einmal, und auf den ersten Blick sieht es ziemlich beschissen für uns aus , hatte Lorenzo seinen Artikel beendet. Aber ich werde zeigen, dass hinter allem nur ein simpler Konstruktionsfehler unserer Zivilisation steckt, an dem wir selber schuld sind – und den wir deshalb auch selber wieder aus der Welt schaffen können. Also begeht nicht voreilig Selbstmord, sondern lest die nächste Ausgabe des ›Ritirata‹!

16
    Nachdem das Telefonat beendet war, behielt Cristoforo Vacchi den Apparat noch eine Weile auf dem Schoß, während sein Blick in unbestimmte Ferne ging. Er lächelte leise.
    Gregorio räusperte sich vernehmlich und zerstörte den Zauber des Augenblicks.
    Der Padrone seufzte unhörbar. Junge Leute haben noch keinen Sinn für die subtilen Kräfte, die hinter den Kulissen der scheinbar objektiven Wirklichkeit am Werk sind, dachte er. »Du wunderst dich?«, fragte er seinen Sohn.
    »Allerdings. Ich frage mich, ob du weißt, was du da tust.«
    Er stellte das Telefon beiseite. »Es ist an der Zeit, dass die ganze Geschichte bekannt wird.«
    »Das ist gegen die Abmachungen.«
    »Vielleicht kann ich einfach der Versuchung, Schicksal zu spielen, nicht widerstehen«, sagte Cristoforo Vacchi.
     
    »Nichts!«, sagte Marco. »Es ist nicht dabei.«
    John stand zwischen Stapeln von Papier wie ein Feldherr zwischen seinen Truppen, musterte die leergeräumten Regale und gähnend weit offen stehenden Schranktüren. »Haben wir wirklich nichts übersehen?«
    Der Leibwächter seufzte. »Nein.«
    Leona hatte ihnen nach langem Zureden widerstrebend erlaubt, Lorenzos Sachen nach dem Manuskript für den zweiten Teil des Artikels zu durchsuchen. »Aber ich gehe währenddessen hinaus«, hatte sie gemeint. John hatte Marco hinzugezogen, der Italienisch flüssiger lesen konnte als er selbst, und gemeinsam hatten sie schon den zweiten systematischen Durchgang durch alles, was an beschriebenem Papier vorhanden war, hinter sich. Sie hatten Gedichte und das besagte Theaterstück gefunden und noch ein paar weitere Prosatexte, getippte Listen von Büchern, die Lorenzo aus verschiedenen Bibliotheken entliehen gehabt hatte, respektlose Aufsätze zu religiösen Themen, Zusammenfassungen von Lernstoffen aus der Biologie und Erdkunde, alles ohne erkennbares System. Zwei dicke Ordner waren mit mathematischen Abhandlungen gefüllt, die John weniger als nichts sagten.
    Bei ihrer Suche waren sie hier und da auch auf Manuskripte gestoßen, die offenkundig für die Schülerzeitung gedacht gewesen waren – Sammlungen von Lehrerzitaten, ungestüme Kritiken an gesellschaftlichen Verhältnissen und Maßnahmen der Regierung, Beiträge über Menschenrechte und Tierschutz. Nur der zweite Teil des Artikels blieb unauffindbar.
    »Er wird ihn schon der Redaktion eingereicht haben«, meinte Marco, der wie ein müder Bär vor dem Bett auf dem Boden saß und deutlich erkennbar keine Lust hatte, die ganzen Stapel ein drittes Mal umzuwälzen.
    John nickte. »Aufräumen müssen wir aber noch.«
     
    Das Büro der Schülerzeitung war im Keller der Schule untergebracht, hatte hoch liegende, winzige Fenster, sodass viel Wand blieb für Regale, in denen sich aufgerissene Papierpacken, leere Bier-und Colaflaschen,

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