Eine Billion Dollar
»Ich bin auf etwas gestoßen, das eine sensationelle Geschichte sein könnte. Und ich möchte der Sache nachgehen.«
»Letztes Mal haben Sie behauptet, Ihr Studium zu beenden hätte absolute Priorität.«
»Ich weiß.«
»Na schön. Mein Gehörgang gehört Ihnen.«
Ursula berichtete ihm von der Begegnung im Flugzeug, wobei sie ein paar Details änderte, weil sie nicht gefragt werden wollte, was sie in New York gemacht habe, das in der Geschichte des Automobils nun wirklich keine Rolle spielte. »Ich meine«, schloss sie, »warum hätten die beiden mir etwas vormachen sollen? Sie wussten nicht, wer ich bin; es hätte keinen Sinn gemacht. Auf der anderen Seite würde die Existenz einer solchen Prophezeiung annähernd erklären, warum die Anwaltsfamilie dieses unglaubliche Vermögen über Generationen hinweg treu gehütet hat und warum sie es am Schluss tatsächlich hergegeben hat.«
Van Delft hatte angefangen, mit seinem großen Brieföffner zu spielen. Das tat er immer, wenn er angestrengt nachdachte. »Und Sie sind sicher, dass es Fontanellis Bruder war?«
»Absolut.«
Er schwenkte seinen Sessel zurück und betrachtete den vollgekritzelten Jahreskalender an der Wand hinter sich, der fast so bunt aussah wie die darüber hängenden Kindergartenzeichnungen seiner Enkeltochter. »Das ist interessant, da haben Sie Recht«, gab er zu. »Aber Ihnen ist klar, dass die Geschichte hieb-und stichfest sein muss, ehe wir sie bringen können?«
»Völlig«, nickte Ursula. Es lag zwölf Jahre zurück, dass der Stern auf die gefälschten Hitler-Tagebücher hereingefallen war, ein Fiasko, von dem sich die Illustrierte bis heute nicht wirklich wieder erholt hatte.
»Wobei«, sagte van Delft und fuhr mit den Fingern die Klinge des Brieföffners entlang, »ein zufällig belauschtes Gespräch zwischen zwei Mitreisenden ist nicht unbedingt das ist, was ich unter einer zuverlässigen Quelle verstehe.«
»Völlig klar. Als Erstes fahre ich nach Florenz und schaue mir das Original des Testaments an. Falls sich darin Hinweise finden, dass an der Geschichte etwas dran ist, recherchiere ich in anderen Quellen über Giacomo Fontanelli…« Sie hielt inne, weil van Delft angefangen hatte, auf eine Weise zu lächeln, die ihr das Gefühl gab, gerade etwas völlig Idiotisches gesagt zu haben.
»Mein liebes Kind, haben Sie eine Vorstellung davon, gegen was für eine Burg Sie da anrennen? Die Familie Vacchi schottet sich derart vollständig gegen Journalisten ab, wie ich es noch nie erlebt habe. Die Liste der Kollegen, die frustriert aus Florenz zurückgekommen sind, reicht von hier bis zur Alster. Ich schätze, Sie bekommen leichter die Erlaubnis, Michael Jackson unter der Dusche zu fotografieren, als Zugang zu den Unterlagen der Vacchis.«
»Ehrlich?«, staunte Ursula.
»Ehrlich. Amerikanische Zeitungen haben schon Millionenbeträge geboten dafür. Aber reich sind die Vacchis selber. Absolut nichts zu machen.«
Nun war es an Ursula, sich zurückzulehnen und zu lächeln. »Interessant«, sagte sie. »Ich habe gestern mit Cristoforo Vacchi telefoniert und ihm meine Bitte vorgetragen, und er hat mich eingeladen zu kommen. Nächsten Dienstag. Er holt mich sogar vom Bahnhof ab.«
Van Delft verletzte sich beinahe an seinem Brieföffner. »Das ist nicht Ihr Ernst.«
»Ich war vorhin schon am Bahnhof und habe eine Verbindung herausgesucht. Ich brauche nur noch zu buchen.«
»Und Sie sind sicher, dass Sie mit dem alten Vacchi gesprochen haben?« Als er ihren Gesichtsausdruck sah, winkte er ab. »Schon gut. War ‘ne blöde Frage. Was um alles in der Welt haben Sie ihm erzählt?«
»Nur die Wahrheit. Dass ich Geschichte studiere und nebenher für Zeitschriften arbeite.«
Wilfried van Delft schüttelte den Kopf. Das brachte ihn sichtbar aus der Fassung. »Und Sie haben ihm gesagt, dass Sie das Testament sehen wollen?«
»Natürlich. Er wollte nur wissen, ob ich Latein kann.« Ursula biss sich auf die Lippe, als ihr klar wurde, was van Delfts Reaktion bedeutete. Sie holte tief Luft und sagte: »Ich biete Ihnen die Erstabdrucksrechte an dem Artikel an, den ich schreiben werde.«
»Die Erstabdrucksrechte…?«, echote van Delft.
»Für Deutschland«, ergänzte Ursula und überlegte fieberhaft, wo die Visitenkarte des Presseagenten war, den sie einmal auf einem Empfang in der Konzernzentrale kennen gelernt hatte. Sie würde seine Hilfe brauchen. Und alles musste jetzt sehr schnell gehen. »Nichtexklusiv.«
»Ich wusste gar nicht, dass Sie
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