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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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erkenntlich zeigen für diesen Gefallen.«
    »Ja, ja, das hoffe ich, aber sehen Sie, ich habe den ersten Teil herausgebracht, ohne den zweiten in Händen zu haben, weil mir Lorenzo hoch und heilig versprochen hatte, dass er ihn so gut wie fertig habe und mir unverzüglich schicken werde. In solchen Dingen war immer Verlass auf ihn, deshalb habe ich mir nichts dabei gedacht. Ich meine, dass er sich eine Birne voller Bienen in den Mund steckt, damit konnte ja niemand rechnen. Jedenfalls, ich habe den zweiten Teil nicht. Im nächsten Heft bringen wir stattdessen einen Nachruf.«
    »Er hat gesagt, er wolle ihn schicken?«, hakte John nach. »Aber Lorenzo ging doch auch auf diese Schule, oder?«
    »Richtig, aber er kam nie hierher ins Büro. Ich glaube, er hatte etwas gegen den Rauch, den wir zum Arbeiten brauchen. Wir haben meistens per Telefon miteinander gesprochen, ab und zu auf dem Schulhof, und seine Manuskripte hat er immer geschickt. Schätze, er kam sich auf die Weise eher wie ein Schriftsteller vor.«
    »Wie lange ist das her, dass er es schicken wollte?«
    »Hmm, ja, warten Sie – das letzte Mal habe ich drei oder vier Tage vor seinem Tod mit ihm gesprochen, also, ich würde sagen, zwei Monate, rund gerechnet, müsste es her sein. Eher mehr.«
    John furchte die Stirn. »Dann kann es nicht mehr unterwegs sein.«
    »Oh, das ist nicht gesagt, bei der italienischen Post ist alles möglich. Mein Vater hat seiner ersten großen Liebe einen Liebesbrief geschickt, den sie erst nach der Geburt ihres ersten Kindes erhalten hat, von einem anderen Mann natürlich, mit dem sie inzwischen verheiratet…«
    »Mit anderen Worten«, fuhr John fort, »es gibt den zweiten Teil des Artikels wahrscheinlich überhaupt nicht.« Sie jagten eine Fata Morgana.
    Die flinken Hände drückten die aktuelle Zigarette in einer abgesägten Coladose aus und langten flugs nach dem Tabaksbeutel. »Ich suche gern alles noch einmal durch. Wie viel, sagten Sie, wollten Sie im Erfolgsfalle spenden? Eine Million Dollar?«
    »Ich habe keine Zahl genannt«, sagte John und stand auf. »Aber ich werde nicht geizig sein.« Er reichte ihm seine Visitenkarte. »Falls Sie fündig werden.« Er musste dem Sekretariat den Namen durchgeben, für die Liste der Absender, deren Briefe ungeöffnet weitergeleitet werden sollten. Auch wenn wahrscheinlich nie einer kommen würde.
     
    Von hier oben ging der Blick über ein regenverhangenes Hamburg, ein graues Meer nasser Dächer, das einen trübe und rostig aussehenden Hafen säumte. Ursula Valen nahm auf dem Besucherstuhl Platz, den Wilfried van Delft ihr freigeräumt hatte, und wartete, während der Leiter des Ressorts Unterhaltung, Medien und Modernes Leben der Illustrierten Stern mit dem Stapel von Büchern und Kassetten, die vorher auf der Sitzfläche gelegen hatten, vor seinem überquellenden Wandregal stand und nach einem Platz dafür Ausschau hielt.
    »Es ist doch immer wieder frustrierend…«, seufzte der Mann, der Mitte fünfzig sein mochte, dünnes rotblondes Haar hatte und eine für einen Schreibtischarbeiter bemerkenswert gut erhaltene Figur. »Wer hat eigentlich den Begriff von der Informationsflut geprägt? Das muss ein vorausschauender Mann gewesen sein. Ein Prophet, möchte ich fast sagen.« Schließlich gab er es auf, legte alles auf einen Haufen, der sich bereits in einem Eck türmte, und kehrte hinter seinen Schreibtisch zurück. »Wie war es in Amerika?«, fragte er dann, die breiten Hände übereinander gelegt.
    Ursula Valen sah verblüfft auf. »Woher wissen Sie, dass ich in Amerika war?«
    »Oh, ich verfolge Ihre Arbeit mit dem größten Interesse, das ist Ihnen doch wohl klar?« Er lächelte wie ein Magier, dem ein Zaubertrick gut gelungen war. »Abgesehen davon sollte Ihnen klar sein, dass der Redakteur, der Sie beauftragt hat, zwar für eine andere Zeitschrift arbeitet, aber sein Gehalt von demselben Konto überwiesen bekommt wie ich. So ist das eben heutzutage in der Verlagswelt. Ein Drache, viele Köpfe.«
    Ursula nickte langsam. Die Verlagskonglomerate zu durchschauen fiel ihr immer noch schwer. Sie dachte auch ungern darüber nach, weil das in ihr unangenehme Erinnerungen an die gleichgeschaltete DDR-Presse früher wachrief. »Es war sehr lehrreich«, sagte sie. »Ich kann Ihnen gern ein Exemplar des Artikels schicken, wenn Sie wollen.«
    Van Delft hob die Hände. »Tun Sie mir das nicht an. Bitte nur Artikel, die ich drucken darf.«
    »Womit wir beim Thema wären«, hakte Ursula ein.

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