Eine Billion Dollar
Probleme, mit denen die Menschheit zu tun hat, miteinander verknüpft sind. Probleme entstehen aus Gegebenheiten, die wiederum Folgen anderer Probleme sind. Und wenn man eine solche Kette bis an ihren Anfang verfolgt, stößt man am Schluss immer darauf, dass die Bevölkerung der Erde unaufhörlich wächst. Das Bevölkerungswachstum ist das, was Saddam Hussein vielleicht ›die Mutter aller Probleme‹ nennen würde.«
Diese Formulierung schien ihn zu amüsieren. »Bis jetzt stimme ich Ihnen zu.«
»Also wird man keines der Probleme für sich allein lösen können, aber man wird alle auf einen Schlag lösen, wenn man das Problem löst, das an der Wurzel sitzt.« Es tat gut, zu reden. Die Gedanken kamen ihm, während er redete, das hatte er sich nicht vorher so überlegt gehabt. Er staunte über sich selbst. »Und das Problem des Bevölkerungswachstums kann nur über Geburtenkontrolle gelöst werden.«
»Schön. Im Grundsatz richtig, und im Grunde naheliegend. Für Originalität oder Tiefe des Denkens kann ich Ihnen aber noch keinen Punkt geben, es sei denn, Sie beschreiben mir, wie dieses Projekt konkret aussehen soll.«
John furchte die Brauen. »Wie das konkret aussehen soll? Nun, Geburtenkontrolle, das heißt, Empfängnisverhütung. Man muss den Leuten die Mittel dazu verfügbar machen, ihnen beibringen, wie man sie wirksam anwendet, und so weiter. Und das überall auf der Welt.«
»Von welchen ›Leuten‹ reden wir? Von Männern? Von Frauen? Und was wollen Sie ihnen verfügbar machen? Die Pille? Kondome?«
»Das sind doch wohl nur Detailfragen.«
»Detailfragen, genau. Aber im Leben sind es die Details, auf die es ankommt. Was machen Sie mit Ländern, die Ihre Aktionen verbieten? Länder, in denen fanatische Mullahs regieren oder der Papst starken Einfluss hat? Und was machen Sie mit Leuten, die viele Kinder wollen? Sie täuschen sich, wenn Sie glauben, dass in Entwicklungsländern nur ungewollte Kinder zur Welt kommen.«
»Hmm«, machte John. Darüber musste er wirklich noch einmal nachdenken. Bis jetzt hatten seine Ideen, wie die Prophezeiung zu erfüllen wäre, nicht mehr Niveau als das Palaver an einem Stammtisch.
»Ich glaube, es wird langsam Zeit, dass wir uns treffen«, sagte der Unbekannte.
»Erst müssen Sie mir sagen, wer Sie sind«, konterte John.
»Das werden Sie erfahren, wenn wir uns gegenüberstehen.«
»Solange ich Ihren Namen nicht kenne, werde ich mich nicht mit Ihnen verabreden.«
Eine Patt-Situation, so nannte man das wohl.
»Nun gut«, meinte die sonore Stimme. »Dann eben nicht. Aber, Mister Fontanelli, bitte bedenken Sie eines: Ich weiß, was zu tun ist. Sie wissen es nicht. Wenn Sie es erfahren wollen, müssen Sie zu mir kommen, das ist das Mindeste.«
Damit legte er auf.
John musterte das Telefon mit gerunzelter Stirn. »Was glaubt der eigentlich, wer er ist?«, murmelte er.
Am nächsten Morgen fegte er nach Rom hinab, begleitet nur von Marco, der nach einem Bremsmanöver trocken meinte, er könne ihn im besten Fall gegen Attentäter und Entführer schützen, aber nicht gegen Zusammenstöße mit LKWs. Sie erreichten die ersten Vororte, als die Geschäfte öffneten, und John erstand noch einen großen Blumenstrauß. Die Floristin, der er erklärt hatte, was er wollte, hatte ihm versichert, ihn aus Blumen zusammengestellt zu haben, die einem Trauerfall angemessen waren.
Lorenzos Mutter war eine auf traurige Weise schöne Frau, schlank, mit ebenmäßigen Gesichtszügen, höchstens vierzig Jahre alt. Sie begrüßte John ernst, aber herzlich, ließ sich erklären, wer Marco war, ohne weiter darauf einzugehen, und bat sie dann beide in die Küche. »Du ähnelst deinem Vater«, meinte sie und stellte ihnen Kaffeetassen hin. Als John sie, unsicher, ein weiteres Mal mit »Signora Fontanelli« anredete, schüttelte sie den Kopf und befahl: »Nenn mich Leona, John!«
Sie sah nicht so aus, als ob sie den Morgen über geweint hätte. Sie sah aus, als hätte sie die letzten drei Monate ohne Unterlass geweint und erst vor wenigen Tagen den Entschluss gefasst, wieder ins Leben zurückzukehren. Die Haut ihres Gesichts hatte etwas Durchscheinendes, Aufgeweichtes, und ihr langes schwarzes Haar war glanzlos und matt.
»Er kam nicht nach Hause an dem Abend«, erzählte sie tonlos, den Blick in unbestimmte Fernen gerichtet. »Er ging nach dem Mittagessen, um sich mit jemandem zu treffen, einem Freund aus der Schule. Ich sehe ihn noch, wie er dort den Hügel hochgeht – man kann den
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