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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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und Recht als gigantische Aufblähung betrachten konnte.
    Aber natürlich können solche Entwicklungen nicht für immer so weitergehen. Wenn vor zehn Jahren eine Familie im Schnitt ein Auto hatte und heute im Schnitt drei, dann heißt das nicht, dass irgendwann jede Familie hundert Autos haben wird. Alle diese Bereiche – Rohstoffreserven, Umweltbelastung, Gesundheit, Fortpflanzung, Lebensstandard, Klima und so weiter – sind in vielfacher Weise miteinander verbunden. Änderungen in einem Bereich wirken sich auf andere Bereiche aus. Und was in solchen vernetzten Systemen passieren kann, ist, dass sie nach einer langen Zeit der Belastung plötzlich kollabieren, weil in einem Bereich etwas zusammenbricht, das auch die anderen Bereiche zusammenbrechen lässt, eine Art Domino-Effekt. In kleinem Maßstab kennt man das von Seen in Nordeuropa, die lange Zeit die Einleitung von Schadstoffen scheinbar unbeeinflusst überstanden haben, um plötzlich ›umzukippen‹ und die heute tote Gewässer ohne Pflanzen oder Fische sind. Etwas Ähnliches könnte dem großen Ökosystem Erde auch passieren, und vielleicht werden sich in 65 Millionen Jahren intelligente Insekten darüber wundern, wieso wir genauso plötzlich ausgestorben sind wie vor uns die Dinosaurier.
    Das sind eine Menge Probleme auf einmal, und auf den ersten Blick sieht es ziemlich beschissen für uns aus. Aber ich werde zeigen, dass hinter allem nur ein simpler Konstruktionsfehler unserer Zivilisation steckt, an dem wir selber schuld sind – und den wir deshalb auch selber wieder aus der Welt schaffen können. Also begeht nicht voreilig Selbstmord, sondern lest die nächste Ausgabe des ›Ritirata‹!
    Das war, dachte John, während er seine Übersetzung noch einmal im Ganzen durchsah, vielleicht nicht brillant, aber für einen Sechzehnjährigen ganz beachtlich.
    Die Ankündigung am Schluss klang allerdings kühn. Und es war deprimierend, nicht den Hauch einer Ahnung zu haben, wovon der zweite Teil des Artikels handeln mochte.

17
    Mittlerweile war es schon ein Ritual. Gerade als John zu Bett gehen wollte, klingelte das Telefon im Schlafzimmer. Wie üblich wollte der Anrufer wissen, wie weit seine Überlegungen gediehen seien.
    »Ich denke, die Industrialisierung selbst ist das Problem«, resümierte John und lehnte sich bequem auf dem kleinen Sofa zurück, das so vor dem Schlafzimmerfenster stand, dass man einen schönen Blick auf den weiten, dunklen, verlassen daliegenden Strand und die silberfunkelnde Brandung hatte. Es war angenehm, so zu reden, aufs Geratewohl, und am anderen Ende jemanden zu haben, der aufmerksam zuhörte. Man kam auf ganz neue Gedanken auf diese Weise. Es war ein bisschen wie früher, als er zur Beichte gegangen war. Oder als läge er bei einem Therapeuten auf der Couch – jedenfalls stellte er sich das so vor. Er war in seinem Leben nur einmal bei einem Therapeuten gewesen, als Kind, weil seine Mutter sich gesorgt hatte, er könne zu viel Fantasie haben und ein Träumer sein, aber der hatte ihn mit kleinen Modellpuppen spielen und Geschichten dazu erfinden lassen. Danach hatte der Therapeut zu seiner Mutter gesagt, ihr Sohn sei zwar zweifellos ein Träumer, aber außergewöhnlich viel Fantasie habe er deswegen trotzdem nicht.
    »Die Industrialisierung? Aha. Und was wollen Sie auf Grundlage dieser Einsicht tun? «
    »Wir müssen einen Weg zurück finden. Zurück zur Natur, auch wenn das kein origineller Plan ist.«
    Das dunkle Lachen klang fast abfällig. »Vor allem ist es ein mörderischer Plan, Mister Fontanelli, das muss Ihnen klar sein. Es ist die industrielle Zivilisation, die diese große Zahl an Menschen am Leben erhält, zumindest einigermaßen. Nehmen Sie die Düngemittel und Zuchtpflanzen weg, reduzieren Sie den verfügbaren Strom, und Sie werden zwischen Bergen von Leichen wandeln.«
    »Nicht von heute auf morgen natürlich. Mir schwebt gerade ein allmählicher Übergang vor, mit biologischem Landbau, Nutzung von Sonnenenergie, die ganze alternative Palette eben.«
    »Man kann Zigaretten aus biologisch-dynamischem Anbau rauchen, aber das sind immer noch Zigaretten. Oder man kann sich das Rauchen wirklich abgewöhnen. Und das ist hart. Was Sie sich vor Augen halten müssen, ist, dass dieser Planet ohne technische Hilfsmittel für allerhöchstens fünfhundert Millionen Menschen Lebensraum bietet. Ehe Sie diese Zahl nicht wieder erreicht haben, können Sie auf Technik und Industrie nicht verzichten.«
    John seufzte. »Na gut. Ich

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