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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Organisationen, die nur den Vorteil ihrer jeweiligen Gruppe im Sinn haben. Die Ungerechtigkeit wollen ! Verstehen Sie? Das ist das Ziel jeder Interessenvertretung – Ungerechtigkeit zu schaffen, ein Ungleichgewicht herbeizuführen, und zwar zu den eigenen Gunsten!«
    John war unwillkürlich einen Schritt zurückgewichen. McCaine so vor sich zu haben, in voller Fahrt, das war, als stünde man einer Zwanzig-Tonnen-Lokomotive im Weg. Was er sagte, das musste John widerwillig zugeben, klang zwar ungewöhnlich, fast schon blasphemisch – aber es entbehrte nicht einer inneren Logik. »So habe ich das noch nie gesehen«, räumte er widerwillig ein.
    »Ja.« McCaines Blick bohrte sich in den seinen. »Das ist mir klar.«
    »Ich meine – ich habe in meinem ganzen Leben keine einzige Wahl versäumt. Jedenfalls nicht, solange ich in New York gelebt habe. Mein Großvater hat mir das eingeschärft, wieder und wieder. Dass ich das Wahlrecht achten solle. Dass viele, viele Menschen dafür gestorben seien, dass ich wählen dürfe. Er ist damals –«
    »– vor Mussolini geflohen, ich weiß. Und er hat Recht, Ihr Großvater. Demokratie ist eine große Errungenschaft, eine feine Sache, das will ich überhaupt nicht bestreiten. Aber man muss sie sich leisten können!« McCaine holte tief Luft, trat einen Schritt zurück, musterte John, als müsse er prüfen, was er ihm zumuten konnte und was nicht. »Es wird Ihnen nicht gefallen, was ich jetzt sage.«
    »Schon das bisher war nicht so besonders.«
    »Ich kann nichts dafür. So ist die Welt eben. Wenn Gefahr im Verzug ist, hat man keine Zeit für lange Palaver. Man wird tot sein, ehe man zu einem Entschluss gelangt ist.« Er hob einen Finger, richtete ihn auf John. »In Notzeiten braucht man einen, der das Kommando übernimmt. Einen Anführer. Wissen Sie, woher das Wort ›Diktator‹ kommt? Aus dem Lateinischen. Im alten Rom wählte man in Krisensituationen für begrenzte Zeit einen Herrscher, dessen Befehlen man sich unterwarf. Das war der Diktator. Wenn es gefährlich wird, hat die Demokratie Pause. Immer, zu jeder Zeit. Studieren Sie die Geschichte unvoreingenommen, und Sie werden sehen, dass ich Recht habe.«
    John spürte heißes Erschrecken in sich aufwallen. »Sie wollen, dass wir zu Diktatoren werden?«
    McCaine lachte laut heraus. »Wie würden Sie das nennen, was wir die ganze Zeit vorhaben? Zwei Leute bringen sich in die Position, der übrigen Welt befehlen zu können, wo es langzugehen hat. Das war der Plan, nicht wahr, von Anfang an?«
    »Sie haben es nie ›Diktatur‹ genannt.«
    »Sie wären damals aufgestanden und gegangen, wenn ich dieses Wort in den Mund genommen hätte.«
    »Allerdings. Ich überlege mir jetzt noch, ob ich gehen soll.«
    »Bitte. Niemand hält Sie. Es ist Ihre Billion, aber John – Sie haben eine Prophezeiung zu erfüllen. Bevor Sie gehen, sagen Sie mir bitte, wie Sie das tun wollen. Ihre großartige Demokratie hat es bisher nicht einmal geschafft, eine lächerliche Winzigkeit wie die Produktion von Fluorchlorkohlenwasserstoffen einzustellen, von wirklich wirksamen Maßnahmen ganz abgesehen. Bitte, sagen Sie mir, was Sie tun wollen. Wenn Ihnen ein besserer Weg einfällt, heraus damit! Ich habe ein Vierteljahrhundert danach gesucht und keinen gefunden.«
    John hatte ihn die ganze Zeit mit wachsendem Entsetzen angesehen, und seine Augen fühlten sich an, als wollten sie ihm jeden Moment aus dem Kopf fallen. Er musste sich abwenden, fühlte sich plötzlich tonnenschwer. »Das ist nicht leicht, wissen Sie? Ich meine, ich hatte nie eine besonders klare Vorstellung von meinem Leben. Aber ganz bestimmt wollte ich niemals Diktator werden!«
    Dabei hätte er die ganze Zeit von selber darauf kommen können, dass es das war, worauf alles hinauslief.
    »John«, sagte McCaine leise, beinahe sanft, »wir verabscheuen Leute wie Saddam Hussein nicht, weil sie Diktatoren sind. Wir verabscheuen sie, weil sie willkürlich Leute umbringen. Das ist es, was sie zu Tyrannen macht. Wir, John, werden keine Leute umbringen – wir werden Leute retten. Wir haben eine Art von Macht, wie sie noch nie jemand hatte, und wir sind die Einzigen, die die Menschheit noch von dem Abgrund zurückreißen können, auf den sie zurast.«
    John sah hoch. Zögerte. Die Gedanken in seinem Kopf waren ein einziges Chaos.
    »Ich weiß, dass es nicht leicht ist. Ich hatte fünfundzwanzig Jahre Zeit, mich an den Gedanken zu gewöhnen, und schon das war nicht leicht.«
    »Allerdings nicht.«

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