Eine Billion Dollar
zweieinhalb Jahren. Erst hier hatte es wirklich begonnen, sein neues Leben. Zweieinhalb Jahre. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor und zugleich, als wäre es gestern gewesen.
Es war ein eigenartiges Gefühl, wieder von demselben Rolls-Royce abgeholt zu werden, der ihn auch damals durch Florenz gefahren hatte, und er nahm auch wieder denselben Weg, vorbei an dem Ferrarihändler… Doch es war nicht mehr Benito, der den Wagen fuhr. Eduardo erzählte von dessen Schlaganfall, zuckte mit den Schultern, so war das Leben.
»Wie war euer Flug?«, wollte er wissen.
»Auf die viereinhalb Stunden Warten in Karatchi hätte ich verzichten können«, meinte John. »Ansonsten war es okay. Ich war froh, dass wir überhaupt einen Flug bekommen haben.«
»Ich dachte, du kommst vielleicht mit deinem eigenen Jet.«
»Nein, den… ähm…« Den braucht McCaine hatte er sagen wollen. Besser nicht. »Den hätte ich erst kommen lassen müssen. Das wäre auf keinen Fall schneller gegangen.«
Eduardo nickte. »Ah ja. Klar.«
Er sah anders aus, als John ihn in Erinnerung hatte. Ernster. Nein, gereifter. Erwachsener. Er hätte gern gewusst, wie es ihm ergangen sein mochte, aber er wollte nicht danach fragen. Später vielleicht.
»Wie… ähm… geht es ihm?«, fragte er stattdessen beklommen.
Eduardo sah aus dem Fenster. »Er verlischt. Ich weiß nicht, wie ich es anders sagen soll. Jeden Morgen gehen wir zu ihm hinein, und er… ist immer noch da. Ganz friedlich, weißt du? Will nichts, ist mit allem zufrieden, lächelt, wenn er mit einem spricht. Meistens schläft er.«
»Und es steht fest, dass man… ich meine, kann man wirklich nichts mehr machen?«
»Der Arzt kommt zweimal am Tag und stellt die Morphinpumpe so ein, dass er keine Schmerzen hat. Das ist es, was man machen kann.«
»Verstehe.« Er sah nach vorn. Marco saß neben dem Fahrer, schien es zu genießen, sich wieder einmal in seiner Muttersprache unterhalten zu können. Zumindest sah es so aus durch die Trennscheibe. »Dann ist es also nur noch eine Frage der Zeit.«
»Der Arzt wundert sich jeden Tag. Er sagt, er habe das Gefühl, Großvater warte auf etwas.«
Auf mich, dachte John und spürte, wie ihm fast schlecht wurde. Er sah sich nach dem schweren Mercedes um, in dem ihnen die anderen Leibwächter folgten. Die konnten ihm jetzt auch nicht helfen.
Es war ein eigenartiges Gefühl, das Landhaus der Vacchis wieder zu betreten. Sich umzusehen und festzustellen, dass sich nichts verändert hatte. War er fortgewesen? War wahrhaftig Zeit vergangen seither? Er begrüßte sie, alle mit ernsten Gesichtern. »Gehen Sie«, sagte Alberto dann leise, als habe er bemerkt, wie John es hinauszögerte. »Er wartet auf Sie.«
So war schließlich keine Hand mehr zu schütteln, und so musste er hinaufgehen, die jahrhundertealten Marmorstufen, den hohen Gang entlang, mit rasendem Herzen und bebenden Händen auf die Tür zu, die ihm eine Pflegerin wies. Die schwere Klinke lag ihm kühl in der Hand, und er drückte sie, weil es keinen anderen Weg gab.
Das Zimmer war groß, still, abgedunkelt. Obwohl man riechen konnte, dass es regelmäßig und gut gelüftet wurde, lag ein Geruch nach Desinfektionsmitteln in der Luft, der an Krankenhaus denken ließ. Ein gewaltiges Himmelbett, die Vorhänge zurückgebunden, stand mit dem Kopfende an der Wand zum Flur und beherrschte den Raum. Auf der gegenüberliegenden Seite wartete ein Tropfständer, an dem ein Beutel mit einer klaren Flüssigkeit hing, den Schlauch noch aufgerollt, daneben trug ein metallener Wagen Verbandszeug, Medikamentenschachteln und allerlei Gerätschaften. Und im Bett lag, auf den ersten Blick fast nicht auszumachen, der Padrone . Das, was noch von ihm in dieser Welt war.
»John«, sagte er. »Sie sind gekommen…« Er war wach, sah ihm mit dunklen, tief in ihren Höhlen versunkenen Augen entgegen. Seine Stimme war kaum zu hören, obwohl es völlig still im Zimmer war. John musste näher kommen, um ihn zu verstehen.
»Padrone, ich –«, begann John hastig, doch der sterbende Mann unterbrach ihn: »Nehmen Sie sich doch einen Stuhl.« Sein Finger deutete ins Halbdunkel. »Dort drüben musste einer stehen.«
John ging und holte etwas heran, das er niemals als ›Stuhl‹ bezeichnet hätte: einen gepolsterten Armlehnstuhl mit aufwändig geschnitzter Rückenlehne, uralt, gut erhalten und ohne Zweifel ein Vermögen wert. Aber letztlich konnte man darauf auch nur sitzen.
»Ich freue mich, Sie noch einmal zu sehen, John«,
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