Eine Billion Dollar
sagte der alte Mann. »Sie sehen gut aus. Braun gebrannt.«
John verkrallte seine Hände ineinander, knetete sie. »Ich war auf den Philippinen. Sechs Wochen oder so, auf dem Schiff.«
»Ach ja, Eduardo sagte so was. Auf den Philippinen, schön. Ich hatte manchmal ein schlechtes Gewissen, weil ich Ihr Leben so beeinflusst habe, Ihnen das alles aufgebürdet habe… Aber Sie sehen aus, als ginge es Ihnen gut, oder?«
»Ja, klar. Mir geht es… ja, gut. Doch.«
Der Padrone lächelte. »Dieses Mädchen, mit dem man Sie in den Zeitungen gesehen hat… Ich sage Mädchen, entschuldigen Sie, natürlich ist sie eine Frau, Patricia deBeers. Ist das etwas Ernstes mit ihr? Entschuldigen Sie meine Neugier.«
John schluckte, schüttelte den Kopf. »Das war nur… Ich meine, sie ist im Grunde in Ordnung, und zuletzt sind wir auch einigermaßen miteinander ausgekommen, aber am Anfang war es nur eine – eine Aktion. Für die Medien, Sie wissen schon.«
»Ah.« Er nickte, äußerst sacht, kaum zu bemerken. »Hat er sich das ausgedacht? McCaine?«
»Ja.«
Er lächelte. »McCaine. Irgendwie beruhigt es mich, das zu hören. Ich habe es mir fast gedacht, aber ich war der Meinung, niemand wäre so plump, etwas Derartiges zu inszenieren… Die Bilder sahen gestellt aus. Ich könnte nicht sagen, wieso. Miss deBeers ist natürlich eine fabelhaft aussehende junge Dame, ohne Zweifel… aber ich hatte immer das Gefühl, sie passt nicht zu Ihnen.«
John nickte, wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Er wusste auch nicht, was er davon halten sollte. Er hatte nicht erwartet, dass ein Mann, der im Sterben lag, sich für derlei Angelegenheiten interessieren würde.
Der Padrone schloss kurz die Augen, strich sich mit der Hand über die Stirn, die bleiche Haut, die beinahe durchscheinend war. »Sie denken vielleicht«, sagte er dann und öffnete die Augen wieder, sah ihn an mit einem Blick, der überraschend klar und fest war, »dass ich enttäuscht sei von Ihnen, oder? Seien Sie ehrlich.«
John nickte gefasst. »Ja.«
Er lächelte sanft, beinahe zärtlich. »Aber das bin ich nicht. Haben Sie gedacht, ich will Sie sehen, um Ihnen eine Standpauke zu halten? Dass ich meine letzten Stunden damit vergeude?«
John nickte, einen Kloß im Hals.
»Nein, ich wollte Sie einfach noch einmal sehen. Ein höchst eigensüchtiger Wunsch, wenn Sie so wollen.« Sein Blick ging geradeaus, zum Fenster, durch das man den hellen Himmel sah. »Ich erinnere mich noch an den Moment, als mir klar wurde, dass ich es erleben könnte, wie der Erbe gefunden wurde. Ich war damals zwölf, glaube ich. Kurz vor dem Krieg. Alles redete von Hitler, daran erinnere ich mich noch. Ich habe mehrmals nachgerechnet, bis ich mir sicher war: Mein Vater, der mir mein ganzes Leben lang davon erzählt hatte, würde es nicht mehr erleben – aber ich. Ich fühlte mich auserwählt. Ich fühlte mich Ihnen verbunden, noch ehe Sie auf der Welt waren. Ich habe Sie jedes Jahr zweimal besucht, als Sie ein Kind waren, habe verfolgt, wie Sie aufgewachsen sind, Ihre Spiele gesehen, Ihre Wünsche und Träume zu ergründen versucht. Ist es so schwer zu verstehen, dass ich nicht sterben wollte, ohne Sie noch einmal gesehen zu haben?« Er machte eine Pause. Das Sprechen schien ihn zu erschöpfen. »Sie haben nicht getan, was ich erwartet habe. Wäre das ein Grund für mich, Sie zu verurteilen? Ich habe nicht erwartet, dass Sie tun, was ich erwarte. Sonst hätte ich es ja selbst tun können.«
»Aber ich habe mich mit einem Mann zusammengetan, von dem Sie mir abgeraten haben, jeder von Ihnen. Ich habe das Geld benutzt, um ein weltweites Firmenimperium aufzubauen, anstatt den Armen zu helfen, die Hungernden zu sättigen, den Regenwald zu retten oder sonst irgendetwas Sinnvolles zu tun damit. Ich habe nach Macht gestrebt und weiß mittlerweile gar nicht mehr, wozu eigentlich. Ich…«
»Shht«, machte der alte Mann, die Hand erhoben. »Es hat mich aufgeregt, als Sie weggegangen sind. Ich gebe es zu. Ich habe eine Weile gebraucht, um alles zu verstehen. Ziemlich lange, um ehrlich zu sein.« Er ließ den Arm sinken. »Aber wenn einem der Tod so nahe kommt, dass man ihn immer im Augenwinkel sieht, egal wohin man blickt – das rückt die Prioritäten zurecht, die die Dinge im Leben haben. Denken Sie nicht so schlecht über sich. Sie sind der Erbe. Was immer Sie tun, es wird das Richtige sein.«
»Nein. Nein, ich bin nicht der Erbe, den die Prophezeiung gemeint hat. Ich weiß es jetzt. Lorenzo wäre
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