Eine Billion Dollar
angeblich der reichste Mann aller Zeiten war, einfach hingehen und sich ein unsinniges Auto kaufen konnte. Und siehe da, er konnte.
»Ihr Großvater glaubt wirklich an diese Prophezeiung, nicht wahr?«, fragte John.
Eduardo nickte. »Ja. Das tut er.«
»Und Sie?«
»Hmm.« Eine lange Pause. »Nicht in dem Sinne, in dem Großvater daran glaubt.«
»Was glauben Sie?«
»Ich glaube, dass wir als Familie etwas ziemlich Beispielloses geschafft haben, indem wir dieses Vermögen über so lange Zeit erhalten haben. Ich glaube aber auch, dass es nicht uns gehört. Dass es wirklich dem von Fontanelli bestimmten Erben gehört.«
»Mir.«
»Ja.«
»Ist Ihnen niemals der Gedanke gekommen, es einfach zu behalten? Ich meine, wer wusste denn überhaupt von der Existenz dieses Vermögens?«
»Niemand. Es klingt verrückt, ich weiß. Aber so bin ich aufgewachsen. Das können Sie sich vermutlich nicht vorstellen. Ich bin aufgewachsen in einer Atmosphäre des Wartens und Planens, des Arbeitens an den Vorbereitungen für einen ganz bestimmten Tag, einen Tag, der schon seit fünfhundert Jahren feststand. Die Aufgabe der Vacchis ist es, das Vermögen zu hüten und zu bewahren und es sich gleichmäßig vermehren zu lassen, bis es dem Erben übergeben wird. Danach – sobald der Erbe Herr des Vermögens ist – sind wir frei. Dann ist die Verpflichtung erloschen.«
John versuchte, sich diese Lebensweise vorzustellen – Menschen, die sich gebunden fühlten an ein Versprechen, das ihr Urahn Jahrhunderte vorher abgegeben hatte –, und ihn schauderte, so fremdartig kam es ihm vor. »Empfinden Sie das so? Als Verpflichtung? Als drückende Last?«
»Es ist keine drückende Last. Es ist einfach unsere Aufgabe, und erst wenn sie erfüllt ist, können wir uns anderen Dingen zuwenden.« Eduardo zuckte die Schultern. »Das kommt Ihnen wahrscheinlich merkwürdig vor. Aber Sie müssen sich vorstellen, dass ich alle diese Dinge, die Ihnen mein Großvater vor zwei Tagen erzählt hat, zeit meines Lebens kenne. Ich habe die Geschichte von Fontanellis Traum erzählt bekommen wie andere Kinder die Weihnachtsgeschichte. Ich kann sie auswendig herbeten. Jedes Jahr haben wir den 23. April wie einen Festtag begangen, und jedes Mal gesagt: Jetzt sind es noch soundsoviel Jahre. Ich kann an kein Ereignis aus der Geschichte der letzten Jahrhunderte denken, ohne dass mir einfällt, welchen Stand das Fontanelli-Vermögen in diesem Jahr erreicht hatte. Und all die Jahre hindurch haben wir die Fontanelli-Familie beobachtet, wussten über jede Eheschließung und jede Geburt Bescheid, wussten, wer welchen Beruf hat und wer in welcher Stadt lebt. Wobei wir in den letzten Jahren etwas geschlampt haben. Je näher der Stichtag kam, desto sicherer waren wir uns, dass Ihr Cousin Lorenzo der Erbe sein würde.«
Das gab John einen Stich. »Und sind Sie jetzt enttäuscht, dass ich es geworden bin?«
»Mich dürfen Sie das nicht fragen. Ich habe bis letzten Herbst studiert und bin ihm nie begegnet. Die Beobachtung war Aufgabe der anderen. – Hier müssen wir rechts.«
John folgte der Anweisung, und sie kamen auf eine leicht bergan führende Straße, die sie zum Langsamfahren zwang, weil sie eng und kurvenreich war. »Wer waren die anderen Kandidaten?«
»Nummer zwei waren Sie. Nummer drei wäre ein Cousin um ein paar Ecken gewesen, ein Zahntechniker in Livorno, einunddreißig Jahre alt, verheiratet, aber kinderlos, was bei den Fontanellis übrigens auffallend häufig ist.«
»Der wird sich ärgern.«
»Er weiß es nicht.«
Sie erreichten einen Bergsattel, und nun führte die Straße sehr überschaubar auf ein Dorf zu. Etwas abseits, mit einem Blick auf das Mittelmeer, der überwältigend sein musste, lag ein großes Anwesen, und John hatte das sichere Gefühl, dass es sich dabei um den Landsitz der Vacchis handelte.
»Was denkt Ihr Großvater über mich?«
»Dass Sie der Erbe sind, den Giacomo Fontanelli im Jahre 1495 in seinem Traum gesehen hat. Und dass Sie mit Ihrem Vermögen etwas sehr, sehr Gutes für die Menschen vollbringen werden, etwas, das die Türen zur Zukunft wieder öffnet.«
»Ziemlich anspruchsvolle Erwartungen, oder?«
»Offen gestanden denke ich, dass das mystischer Mumpitz ist.« Eduardo lachte laut auf.
Sie näherten sich dem Dorf. Die Straße, die von der anderen Seite kam, erkannte John, wäre breiter gewesen.
»Aber der Glaube kommt bei den Vacchis mit dem Alter, heißt es bei uns«, fuhr Eduardo fort. »Mein Vater und mein Onkel
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