Eine Billion Dollar
östliche Richtung. Da hilft nur Schlaf und gute Ernährung… Giovanna, einen Teller für unseren hohen Gast.«
Sie saßen alle an einem langen, massiven Tisch aus Holz, der vor Jahrhunderten für irgendeinen Rittersaal gezimmert worden zu sein schien, die Anwälte an einem Ende – nur der Padrone fehlte – und eine Hand voll weiterer Gäste am anderen, von denen John nur Benito, den Chauffeur, erkannte und Giovanna, die bei ihm saß und heftig gestikulierend auf ihn einredete. Dazwischen, in der Mitte des Tisches standen große gläserne Schüsseln mit farbenprächtigen Salaten, Körbe mit frischem, nach Hefe duftendem Weißbrot und gusseiserne Töpfe, in denen gebratene Fische vor sich hin schmurgelten. Das junge Hausmädchen sprang auf Giovannas Wink herbei und stellte John einen Teller hin, Besteck und ein Glas aus geschliffenem Kristall.
Alberto übernahm unterdessen die Vorstellung. Die Frau, die John schon von seiner Terrasse aus gesehen hatte, hieß Alvina, war Gregorios Frau und demzufolge Eduardos Mutter. Sie sprach gut Englisch, wenn auch mit starkem Akzent, und erzählte, dass sie an der Schule hier im Dorf unterrichtete. Dann sprudelte Alberto weitere Namen hervor, die John sich allesamt nicht merken konnte, aber er besah sich die Gesichter dazu. Der stämmige Mann mit der beginnenden Glatze, der breitbeinig auf seinem Stuhl saß und der Unterhaltung zwischen Giovanna und Benito zuhörte, war also der Gärtner. Die beiden jungen Burschen, die verbissen an ihren Fischen herumsäbelten, waren den Nachmittag über da gewesen, um das Schwimmbad im Keller zu reinigen, was sie einmal im Monat taten, um sich eine Kleinigkeit dazuzuverdienen. Und der zahnlose Greis, der sich mit benebeltem Lächeln an seinem Weinglas festhielt, war einer der Bauern, von denen der Haushalt der Vacchis frisches Obst und Gemüse bezog.
»Das ist eine unserer festen Einrichtungen«, erklärte Alberto. »Ein großes Abendessen, und jeder, der gerade da ist, wird mit an die Tafel geladen. Auf diese Weise erfährt man immer, was es im Dorf Neues gibt. – Sie müssen doch Hunger haben, John; greifen Sie zu!«
John wandte sich den Schüsseln zu und bediente sich reichlich. Der Anwalt goss ihm währenddessen aus einer dunklen Flasche Wein ein, der in dem Glas tiefrot funkelte wie Rubin.
»Ihr Vater kommt nicht?«, fragte John leichthin und erschrak, als sich daraufhin Albertos Gesicht verdüsterte.
»Er schläft noch. Solche Reisen machen ihm mehr zu schaffen, als er zugeben will.« Er schwieg eine Weile und fügte hinzu: »Es steht nicht mehr zum Besten mit seiner Gesundheit, aber er wollte es sich nicht nehmen lassen, dabei zu sein. So ist er nun mal.«
John nickte. »Ich verstehe.«
»Wie gefällt Ihnen Ihr Zimmer?«, fragte Gregorio.
John, der gerade dazu gekommen war, den ersten Bissen Fisch in den Mund zu schieben, nickte kauend und beeilte sich zu schlucken. »Gut. Wirklich sehr gut. Wunderbare Aussicht.«
»Lass ihn doch essen, Gregorio«, mahnte seine Frau und lächelte John zu. »Es ist das schönste Zimmer im ganzen Haus. Und es wartet schon lange auf Sie.«
»Ah«, machte John und wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Weil ihm nichts einfiel, stopfte er sich etwas Salat in den Mund, und während er kaute, wandte sich das allgemeine Gespräch zum Glück anderen Themen zu.
Alberto schien nicht verheiratet zu sein. Erst jetzt fiel John auf, dass er keinen Ehering trug. Er wirkte auch nicht wie jemand, der verheiratet war. Eduardo stocherte schweigend in seinem Salat und schien mit den Gedanken woanders zu sein, während Alvina und Alberto sich über einen ihrer ehemaligen Schüler unterhielten, der, soweit John dem Gespräch folgen konnte, nach Florenz gegangen, sich als Softwareentwickler selbstständig gemacht und nun offenbar einen einträglichen Großauftrag an Land gezogen hatte. Dann stand der Gärtner auf, trat zu ihnen hin, dankte für das Essen und sagte, er müsse jetzt aber weitermachen, weil er fünf Büsche aus der Erde genommen habe; die müsse er noch heute wieder einsetzen, weil sie morgen früh vertrocknet sein würden. John spürte, wie eine Anspannung von ihm abfiel, derer er sich gar nicht bewusst gewesen war. Es war beruhigend, hier zu sitzen, einem gebratenen Fisch das weiße Fleisch von den Gräten zu schaben und Brotstücke in den Sud zu stippen, der ölig und mit Knoblauch gesättigt war und wunderbar schmeckte, während ringsherum das Leben weiterging wie bisher auch. Etwas ließ ihn
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