Eine Billion Dollar
sind in dem Stadium, in dem ein Vacchi zumindest glaubt, dass man mit dem vielen Geld etwas durchschlagend Sinnvolles tun musste, und sie strengen sich die Köpfe an, um auf eine zündende Idee zu kommen, was das sein könnte. Mein Großvater kümmert sich darum überhaupt nicht. Sie sind der richtige Erbe, das Ganze ist eine heilige Vision, und wenn Sie einen Ferrari kaufen, dann ist das eben in Gottes Plan so vorgesehen, e basta .«
Eduardo hatte ihn mit kurzen Fingerzeigen, die John inzwischen gut zu deuten verstand, durch das Dorf gelotst, das einen friedvollen Eindruck machte. Sie erreichten das Anwesen, fuhren durch ein breites Portal, dessen schmiedeeiserne Gittertore weit offen standen, auf einen weiträumigen, kiesbestreuten Innenhof. Der Rolls-Royce stand schon da, im Schatten einiger hoher, alter Bäume, und John brachte den Ferrari daneben zum Stillstand. Es war wie Taubwerden, als der Motor nicht mehr lief.
»Und was denken Sie?«, wollte er wissen.
Eduardo grinste. »Ich denke – John, Sie besitzen eine Billion Dollar. Sie sind der König der Welt. Wenn Sie das jetzt nicht genießen, dann sind Sie bescheuert.«
4
Das ganze Anwesen atmete Geschichte. Die Wipfel der Bäume rauschten leicht in einem Wind, der vom Meer her kam, und warfen unruhige Schatten auf die trutzig aufragenden Mauern, deren Verputz feine Risse aufwies. Sie hatten gerade ein paar knirschende Schritte über den Kies gemacht, als die Haustür geöffnet wurde. Eine wohlbeleibte Frau, die Mitte fünfzig sein mochte und jederzeit für Spaghetti hätte Reklame machen können, trat ihnen mit einem italienischen Wortschwall entgegen.
»Du musst langsamer reden, Giovanna«, rief ihr Eduardo auf Italienisch entgegen. »Sonst versteht Signor Fontanelli dich nicht!« Zu John gewandt sagte er auf Englisch: »Das ist Giovanna, der gute Geist des Hauses. Sie wird sich um Sie kümmern, aber sie spricht kein Englisch.«
»Zumindest das, was Sie zu ihr gesagt haben, habe ich verstanden«, grinste John. »Es wird schon gehen.« Sein Vater hatte immer darauf bestanden, dass die Kinder zumindest die Grundbegriffe seiner Muttersprache beherrschten, aber da zu Hause dann doch meistens Englisch gesprochen worden war, hatte er wenig Gelegenheit zum Üben gehabt. Aber das, was er gekonnt hatte, tauchte langsam wieder auf.
Sie traten durch die Tür in eine dunkle, kühle Halle. Eine Treppe führte überaus repräsentativ zu einer Galerie empor. Rechts und links gingen dämmrige Flure ab, und von oben hing ein schwerer Kronleuchter herab. Ihre Schritte hallten auf dem kahlen Terrakottaboden.
Eduardo schärfte Giovanna noch einmal ein, langsam und deutlich mit John zu sprechen, was ihm einen verweisenden Blick von ihr eintrug, verabschiedete sich und zog sich zurück. John folgte der resoluten Hausverwalterin die Treppe hinauf und durch lichtere Flure, bis sie in ein großes Zimmer kamen, von dem sie behauptete, es sei seines, ein Zimmer so groß wie ein Saal, das große Glastüren hatte hinaus auf einen weiten Balkon, von dessen verwitterter Sandsteinbrüstung aus man über das Mittelmeer sehen konnte.
»Hier ist Ihr Badezimmer«, sagte sie, aber John hatte nur Augen für die schimmernde Weite des Meeres. Wenn er etwas brauchte, egal was – er brauche nur die Fünfzehn zu wählen.
»Wie bitte?«, sagte John, schon ganz automatisch auf Italienisch, und drehte sich um. Sie stand neben dem Bett und hielt den Hörer des Telefons in der Hand, ein modernes, schnurloses Telefon, dessen Ladestation auf dem Nachttisch stand.
»Fünfzehn«, sagte Giovanna noch einmal. »Wenn Sie etwas brauchen.«
»Ja.« John nickte, nahm das Telefon, als sie es ihm reichte. »Und wenn ich telefonieren muss? Nach außerhalb?« Das italienische Wort für Amtsleitung fiel ihm nicht ein.
»Eine Null wählen«, erklärte Giovanna, geduldig wie eine Mutter mit einem begriffsstutzigen Kind. John fragte sich, ob sie wohl Kinder hatte. Dann schaute er sich das Telefon an. Es hatte ein kleines, durchsichtiges Plastikschildchen, in dem eine Karte mit der Telefonnummer steckte. Seine Durchwahl war 23.
»Danke«, sagte er.
Nachdem sie gegangen war, spürte er, dass er müde war. Das musste der Jetlag sein. Er hatte während des Fluges kaum geschlafen, und er hatte keinerlei Gefühl für die Tageszeit, fühlte sich durcheinander und aufgekratzt und gleichzeitig zum Hinfallen müde. Das Bett sah gut aus, breit und angenehm, frisch gemacht. Die Fahrt mit dem Ferrari war wie ein
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