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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Jersey – glaubst du, ich bin mit goldenen Löffeln aufgewachsen?«
    Sie musste wider Willen lachen über das lustige Gesicht, das er dabei machte. Und vielleicht, überlegte sie, sah sie alles ja tatsächlich zu verbissen. Sie dachte an ihre eigene Kindheit und wie oft es in den Gesprächen bei Tisch darum gegangen war, wie etwas Bestimmtes zu bekommen war und wer es einem besorgen konnte. Der Mangel war allgegenwärtig gewesen und Improvisation ständige Notwendigkeit. Zwar ging es für sie seit der Wende aufwärts, aber quasi über Nacht in eine Welt vollkommenen Überflusses geraten zu sein überforderte sie offenbar doch.
     
    Die Zeit, ins Casino hinab zu gehen, gönnten sie sich nur, wenn Gäste zu bewirten waren. Ansonsten kehrten sie zu ihrer Gewohnheit zurück, sich mittags im Konferenzraum einen kleinen Imbiss servieren zu lassen.
    »Ist Ihnen eigentlich klar, dass sich Geld in Wirklichkeit nicht vermehrt?«, fragte John bei dieser Gelegenheit.
    McCaine musterte ihn kauend. »Wie meinen Sie das?«
    »Man sagt das doch immer. Dass man sein Geld auf die Bank tragen soll, damit es Zinsen trägt. Aber wenn ich Geld anlege, stammen die Zinsen, die ich dafür bekomme, von anderen Leuten. Die dafür arbeiten müssen.« In groben Worten umriss John die Erkenntnisse, die er auf Panglawan gewonnen hatte, allerdings ohne auf Einzelheiten einzugehen oder auf den Schock, den ihm jene Entdeckung bereitet hatte – es war einfach zu peinlich, dass ihm diese Zusammenhänge nicht klar gewesen waren: Das war fast so, als hätte er immer noch an den Weihnachtsmann geglaubt und erst jetzt herausgefunden, dass die Geschenke in Wahrheit von seinen Eltern gekommen waren.
    »Korrekt«, stimmte McCaine zu. »Geld investieren heißt Geld vermieten. Und der, an den Sie ‘s vermieten, muss zusehen, wie er die Miete zusammenbringt.«
    »Und warum erzählen wir es den Leuten dann immer? Ich habe mir unsere Bankprospekte angeguckt – genau der gleiche Stuss. ›Lassen Sie Ihr Geld für sich arbeiten.‹«
    »Wir erzählen es, weil die Leute gern an Märchen glauben. Und solange sie an Märchen glauben, fragen sie nicht nach der Wirklichkeit, ganz einfach«, erklärte McCaine. »In Wirklichkeit ist Geld nichts anderes als ein Hilfsmittel, um zwei Dinge zu regeln, die von elementarer Bedeutung sind für das Zusammenleben der Menschen: Erstens, wer muss was tun, und zweitens, wer kriegt was . Wenn zwei Menschen miteinander zu tun haben, geht es im Grunde immer darum, dass jeder den anderen dazu bringen möchte, das zu tun, was er will. Und das, was man vom anderen will, ist meistens denkbar primitiv: Gib’s mir! Gib mir dein Stück von der Beute! Gib mir Sex! Gib mir das, was du da hast! So sind wir Menschen gebaut, und weil Geld unsere Erfindung ist, spiegelt es unsere Natur wider – was auch sonst?« McCaine machte eine ausholende Geste mit der Gabel. »Aber das klingt ausgesprochen unsexy, das müssen Sie zugeben. Niemand will das wissen. Glauben Sie mir, die Menschen hören lieber Märchen.«
     
    Allmählich lernte Ursula, einzelne der vielen Hausangestellten wieder zu erkennen. Der Kellner, der den Frühstückstisch deckte, hieß Lance, hatte blasse, kränklich wirkende Haut und abgenagte Fingernägel und redete wenig, meist eigentlich überhaupt nichts. Francesca war eines der Zimmermädchen in ihrem Flügel, eine junge Frau, die einem kaum in die Augen zu sehen wagte und immerfort traurig wirkte, ihre Aufgaben aber mit wahrer Hingabe erledigte. Und der Chauffeur mit den haarigen Händen, der sie zum Einkaufen in die Stadt fuhr, wann immer sie wollte, hieß Innis. Während der Fahrt war es empfehlenswert, entweder mit ihm zu reden oder die Trennscheibe hochzufahren, denn wenn sein Mund nicht anderweitig beschäftigt war, pflegte er zur Unkenntlichkeit entstellte Melodien vor sich hin zu pfeifen.
    John hatte ihr eine goldene Kreditkarte gegeben, die auf ihren Namen lautete und deren Limit nach normalen Maßstäben für ein Leben ausgereicht hätte, ganz zu schweigen von einem Monat, aber Ursula machte so behutsam wie möglich Gebrauch davon. Die meiste Zeit bummelte sie nur, beobachtete die Leute, schaute sich an, was sie alles hätte kaufen können und versuchte die Gegenwart der beiden breitschultrigen Männer zu vergessen, die ihr auf Schritt und Tritt folgten, in dezentem Abstand selbstverständlich. Einmal kam ein Betrunkener auf sie zu und pöbelte sie recht rüde an, in einem Dialekt, den Ursula kaum verstand –

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