Eine Billion Dollar
aus, hob seine Tasse. »Eigentlich ganz gut. Wieso?«
»Fühlen Sie sich reich ?«
»Reich?« John atmete tief ein und verzog das Gesicht. »Kann ich nicht behaupten. Okay, ich habe gestern den Ferrari gekauft. Glaube ich zumindest. Aber reich… Nein. Eher, als ob ich in Urlaub wäre. Als ob die italienische Verwandtschaft aufgetaucht und mich überraschend zu einer Europareise mitgenommen hätte.«
»Würden Sie denn gern eine Europareise machen?«
»Darüber habe ich noch nie nachgedacht… Ich denke schon.«
»Im Moment würde ich Ihnen zwar noch abraten«, sagte Cristoforo Vacchi, »aber davon abgesehen wäre das ein Beispiel für einen Wunsch, über den Sie sich klar werden müssen und auch darüber, dass Sie ihn sich erfüllen können, wenn Sie möchten. Das ist ein Lernprozess. Sie müssen lernen, mit Geld umzugehen, auch mit viel Geld. Es gibt keinen materiellen Wunsch mehr, den Sie sich aus Geldmangel versagen müssten – aber es kann andere Gründe geben, und die müssen Sie imstande sein zu erkennen. Ihr bisheriges Leben hat Sie hierauf nicht vorbereitet – zumindest vordergründig nicht –, und das müssen Sie nachholen.«
John kniff die Augen zusammen. »Was meinen Sie mit ›vordergründig nicht‹?«
Der Padrone schaute prüfend zu dem Sonnensegel hinauf, ließ den Blick über die Verspannung wandern und rückte mit seinem Stuhl dann ein Stück weiter, um im Schatten zu bleiben. »Die Sonne ist nicht mehr dieselbe wie in meiner Jugend. Ich glaube nicht, dass es am Alter liegt. Zu meiner Zeit hat sich niemand über die Sonne beklagt. Ich glaube, es hat tatsächlich mit diesem Ozonloch zu tun. Es hat die Sonne verändert, das heißt natürlich, das Licht von ihr, das uns erreicht.« Er nickte nachdenklich. »Derjenige, der die Spraydose erfunden hat, hat das natürlich nicht beabsichtigt. Und vielleicht ist es auch nicht einfach so, dass er allein daran schuld ist. Es kommen immer viele Ursachen zusammen, die ein ganzes Bündel von Wirkungen haben, und alles hängt untereinander zusammen, bildet ein Geflecht, das kaum oder überhaupt nicht zu durchschauen ist. Verstehen Sie, was ich mit ›vordergründig‹ meine?«
John überlegte, nickte dann, obwohl er höchstens ahnte, worauf der alte Mann hinauswollte. »Ja.«
»Ich denke, es hat seinen verborgenen Sinn, dass Sie so aufgewachsen sind, wie Sie aufgewachsen sind, und auch, dass Sie, sagen wir einmal, unserer Aufmerksamkeit ab einem gewissen Alter entgangen sind.« Er schüttelte den Kopf und schien dabei in sich hineinzulachen. »Fünfhundert Jahre Zeit der Vorbereitung, und dann so eine Blamage. Können Sie sich das vorstellen? Nach Lorenzos Tod standen wir da und hatten nichts von Ihnen als einen Namen und Unterlagen, die mindestens zehn Jahre alt waren.« Er kicherte wieder, nahm ein Gebäckstück und tauchte es in seinen Kaffee, bevor er davon abbiss. »Wir wussten nicht einmal, wo Sie wohnen.«
John lächelte mühsam. »Wäre Lorenzo der geeignetere Erbe gewesen?«, fragte er und hielt unwillkürlich den Atem an.
Der Padrone wiegte den Kopf. »Geeignet wäre er sicher gewesen. Er war intelligent, sehr intelligent sogar, hatte in der Schule einige Mathematikpreise gewonnen… Er faszinierte uns alle, das gebe ich zu. Er wäre geeignet gewesen – vordergründig. Aber ich habe Ihnen ja gesagt, dass ich dem Vordergründigen misstraue.«
»Ich habe keine Mathematikpreise gewonnen«, sagte John. »Ich habe schon Schwierigkeiten mit gewöhnlicher Zinsrechnung. Und sonderlich intelligenter als jemand anders bin ich auch nicht.«
Cristoforo Vacchi sah ihn an. »Aber Lorenzo ist tot, und Sie leben.«
»Vielleicht war das ein Fehler.«
»Gott ist es, der uns unser Leben zumisst. Glauben Sie, Gott macht Fehler?«
John hielt inne. »Ich weiß nicht«, sagte er dann. »Vielleicht. Manchmal denke ich, ja.«
Der alte Mann hob die Tasse an die Lippen, trank, nickte sinnierend vor sich hin, als habe er nicht gehört, was John gesagt hatte. »Sie sind noch jung«, sagte er dann plötzlich. »Sie sind noch zu jung, um die Vollkommenheit der Welt sehen zu können, John. Machen Sie sich nichts daraus. Glauben Sie mir – Sie sind der rechtmäßige Erbe.«
»Und warum fühle ich mich dann nicht so?«
»Weil Sie erst lernen müssen, sich so zu fühlen. Sie stehen gewissermaßen noch unter Schock. Ihr ganzes Leben hat sich fundamental verändert, und Sie müssen sich erst in das neue Leben hineinfinden. Das ist ganz normal. Sie müssen viel
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