Eine Billion Dollar
gesteckt hatte und von dem Reiter der Mappe nur verdeckt worden war.
»Schau mal an«, sagte John leise und holte die zweite Mappe heraus. Schlug sie auf. Las.
Es war gleich auf der ersten Seite. Sie war in Italienisch geschrieben, aber das entscheidende Wort, der entscheidende kurze Satz war rot angestrichen, mit einem Ausrufezeichen am Rand. John las ihn, wieder und wieder, weil er eher bereit war, an seinen Sprachkenntnissen zu zweifeln als an dem, was seine Augen lasen und sein Gehirn verstand, aber mit jedem Lesen schien ein Stück der Welt, wie er sie kannte, zu verschwinden, schien der Boden, auf dem er stand, wegzubrechen, bis schließlich nichts mehr übrig sein würde als ein endloser Abgrund.
Aufmarsch der schwarzen Limousinen. Attacke der Männer in grauen Anzügen. Malcolm McCaine, Geschäftsführer des größten Konzerns in der Geschichte der Menschheit und bestbezahlter Manager der Welt, kam im Gefechtsschritt auf das Hauptportal zu, das der Pförtner sich vor ihm zu öffnen beeilte.
»Wo ist er?«, fauchte er.
»Oben, Sir, Mister McCaine…«, hüstelte der alte Mann in der Dienstlivree.
»Rufen Sie mir den Aufzug.«
Während der Pförtner davoneilte, sagte McCaine zu seinen Begleitern: »Ich erledige das alleine. Warten Sie hier auf mich.«
Dann erklang der Gong, und die silbern schimmernden Türen des Aufzugs öffneten sich.
Oben standen die Sicherheitsleute starr, als McCaine aus dem Aufzug trat, einige strafften sich, als wollten sie im nächsten Moment salutieren. McCaine ignorierte sie, hatte nur Augen für die Tür, die zerschrammt und zerborsten in ihren Angeln hing. Er stapfte darauf zu, stieß sie beiseite und betrat sein Büro, seit zwei Jahren das wahre Zentrum der Macht auf diesem Planeten.
John Fontanelli hockte mit eingesunkenen Schultern hinter dem Schreibtisch. Dessen Schubladen und Fachtüren waren aufgebrochen, desgleichen der Aktenschrank. Akten lagen zu unordentlichen Stapeln gehäuft umher, der Teppich war übersät von Holzsplittern.
»Darf ich«, fragte McCaine mit mühsam gebändigter Stimme, »erfahren, was hier vor sich geht?«
John Fontanelli sah müde hoch. Seine Augen lagen tief in den Höhlen, und er war weiß im Gesicht, als habe er ein Gespenst gesehen, mehr noch, als habe ihm eine übernatürliche Erscheinung einen frühen und gewaltsamen Tod vorausgesagt. Er fing an zu sprechen und musste sich nach den ersten Worten räuspern und von vorne anfangen. »Deshalb bin ich hergekommen«, sagte er. »Um zu erfahren, was hier vor sich geht.«
McCaine verschränkte die Arme vor der Brust, sah demonstrativ umher. »Waren Sie das? Haben Sie meine ganzen Schränke aufbrechen lassen?«
»Ja«, sagte John einfach.
»Darf ich fragen, warum? Und darf ich fragen«, fuhr er mit eisiger Wut fort, »was, zum Teufel, Sie hier überhaupt machen? Woher Sie so plötzlich kommen, während alle Welt glaubt, dass Sie in Mexiko entführt wurden? Dass Sie womöglich längst tot sind?«
John rieb sich das Kinn. »Tot, ja«, meinte er versonnen. »Dazu hat nicht viel gefehlt.« Er griff mit einer erschöpften Bewegung nach einer Mappe, die vor ihm auf der Tischfläche lag, und schob sie McCaine hin. »Wissen Sie, was das ist?«
Der warf nur einen unwilligen Blick darauf. »Keine Ahnung.«
»Es ist ein Dossier, das ich in Ihrem Aktenschrank gefunden habe. Gleich hinter dem Dossier übrigens, das Sie über mich angelegt haben.« Er drehte die Mappe so hin, dass die Beschriftung des Reiters unübersehbar wurde. »Was kein Wunder ist, wenn man die alphabetische Reihenfolge bedenkt.«
Auf dem Reiter stand Fontanelli, Lorenzo. »Und?«, meinte McCaine bissig.
John schlug die Mappe auf. »Das erste Dokument darin«, erklärte er seufzend, »ist ein Krankenbericht. Ein ganz ähnlicher medizinischer Bericht, wie Sie ihn sich über meinen Bruder Lino beschafft haben, weiß der Himmel, wie. Der Krankenbericht ist in Italienisch, aber eine unübersehbare Markierung – von Ihrer Hand, wie ich vermute – weist auf den einen Punkt hin, auf den es ankommt.« Er tippte auf die rot unterstrichene Zeile. »Hier steht Bienengiftallergie – Gefahr eines anaphylaktischen Schocks.«
McCaine starrte ihn nur an, ohne etwas zu sagen. In der früh einsetzenden Dämmerung wirkte er furchteinflößend durch seine bloße Anwesenheit. Er schien den Raum vollständig auszufüllen und imstande, jeden darin nach Belieben zu erdrücken.
»Ich bin ein Idiot«, sagte John. »Ich gebe es zu. Man kann mir
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