Eine Billion Dollar
alles erzählen: Ich glaube es. Ich stelle keine Fragen, entdecke keine Ungereimtheiten, und Täuschungen durchschaue ich erst recht nicht. Ich bin so naiv, dass es wehtun muss, sich das Lachen zu verkneifen, wenn man mir zusieht. Ein Idiot eben.« Er nahm die Akte und legte sie vor sich hin. »Aber wenn alle Fakten vor mir liegen, klar und eindeutig; wenn man mir außerdem genug Zeit gibt und mir vielleicht noch ein paar Mal einen schweren Gegenstand auf den Kopf schlägt, dann begreife sogar ich, was gespielt wird.«
Er stand auf, so mühsam, als trage er unsichtbare Tonnenlasten auf den Schultern. »Sie haben sich fünfundzwanzig Jahre lang auf den Stichtag vorbereitet. Natürlich haben Sie, genauso wie die Vacchis das getan haben, die möglichen Erben unter Beobachtung gehalten. Sie haben mich beobachtet, und nachdem Lorenzo zur Welt gekommen war, haben Sie ihn beobachtet – was er für ein Mensch ist, wie er sich entwickelt, was er vorhat im Leben.« Er lachte bitter auf. »Lorenzos Pech war, dass er zu intelligent war, zu selbstständig, zu aufgeweckt. Er war ein Wunderkind, preisgekrönt und gefeiert, vielversprechend und aufmüpfig. Sie müssen ihn sich angesehen und festgestellt haben, dass Sie diesen Jungen niemals würden führen können. Lorenzo war jemand, der umgehend eigene Pläne mit dem Erbe entwickeln würde, und gute Pläne noch dazu. Er war ein Mathematikgenie, betriebs-und volkswirtschaftliche Berechnungen wären für ihn ein Klacks gewesen. Er hätte rasch gelernt, mit dem Geld und der Macht umzugehen – wenn nicht er, wer dann? Lorenzo hätte Sie nicht gebraucht. Ihr ganzer schöner Plan, Ihre ganzen Vorbereitungen wären zunichte gewesen, wenn Lorenzo die Billion geerbt hätte. Also beschlossen Sie, lieber den einfältigen, lebensuntauglichen Schusterjungen aus New Jersey zum Erben zu machen.«
McCaine sagte immer noch nichts. Die Dämmerung schritt voran, aber noch drang genug Licht durch die hohen Fenster, dass man sehen konnte, dass sich John Fontanellis Augen mit Tränen gefüllt hatten.
»Lorenzo war der wahre Erbe«, flüsterte John, »und Sie haben ihn getötet. Er wäre es gewesen – der Erbe, den die Prophezeiung vorausgesagt hat, der Mann, der der Menschheit die verlorene Zukunft hätte zurückgeben können. Er hatte alles, was dazu nötig gewesen wäre. Ich habe es die ganze Zeit geahnt. Ich bin es nicht, und ich war es nie – ich war nur eine Figur in Ihrem Spiel, McCaine. Sie haben den wahren Erben getötet, weil Sie um jeden Preis Ihren Plan durchsetzen wollten.«
Sein Flüstern brach sich in den dunklen Ecken des Zimmers zu einem seltsamen Echo, das klang wie das Zischen von Schlangen.
»John«, sagte McCaine langsam, »Sie reden sich da etwas ein.«
John Fontanelli schien ihn nicht zu hören. »Ich weiß nicht, wie Sie es gemacht haben. Wie bringt man jemanden mit Bienen um? Ich stelle mir ein Glas vor, ein Schraubglas mit einer frischen, süßen, saftigen Birne darin, vielleicht mit ein paar winzigen Luftlöchern für die Bienen. Ich stelle mir einen Mann vor, der einen schmächtigen Jungen festhält und ihm die Birne voller Bienen in den Mund presst. Ich weiß nicht, ob das so funktionieren würde. Hatten Sie Kontakt mit Lorenzo? Haben Sie unter einem Vorwand mit ihm gesprochen, um herauszufinden, was mit ihm anzufangen sein würde? Vielleicht haben Sie auch ein paar Stiche davongetragen, na und. Sie wussten, dass Lorenzo an dem Bienengift sterben würde, wie Sie immer alles wissen über jeden, mit dem Sie zu tun haben. Und er ist gestorben, rechtzeitig vor dem Stichtag und auf hervorragend unverdächtige Weise.«
Atemlose Stille breitete sich aus, in der nur noch Johns Atem zu hören war, der klang wie ein heimliches Schluchzen.
McCaine räusperte sich schließlich vernehmlich. »Nein, John, so geht das nicht. Ehe Sie derart schwere Anschuldigungen gegen jemanden erheben, müssen Sie sich vergewissern, dass Sie alles, was Sie behaupten, auch beweisen können.«
»Ah«, nickte John geistesabwesend.
»Und das können Sie nicht, John«, setzte McCaine hinzu. »Nichts davon können Sie beweisen.«
John holte schniefend Atem. »Wo waren Sie an dem Tag, an dem Lorenzo gestorben ist?«
»Seien Sie nicht albern«, erwiderte McCaine ungehalten. »Das weiß ich selbstverständlich nicht auswendig. Aber ich habe keinen Zweifel, dass ein Blick in einen alten Terminkalender genügt, um es zu rekonstruieren.«
»Der Fall kann neu aufgerollt werden.«
»Es gibt keinen
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