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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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für und wider die Nutzung von Atomkraft, die meistens eher von Gefühlen als von Überlegung genährt sind, ist es so, dass niemals auch nur ein einziges ziviles Kernkraftwerk gebaut worden wäre, wenn man von Anfang an richtig gerechnet hätte. Der angeblich so billige Atomstrom war nur deshalb billig, weil die Betreiber es sorgsam vermieden haben, irgendwelche Rückstellungen für die Entsorgung des atomaren Mülls in die Kalkulation aufzunehmen. Da Kernenergie politisch gewollt war, konnten sie davon ausgehen, dass sie diese Kosten der Gemeinschaft würden unterschieben können, zudem zu einem Zeitpunkt, an dem man sie nicht mehr würde belangen können. Wenn ein Energieunternehmen lediglich vor der Entscheidung gestanden hätte, ein Kernkraftwerk zu bauen oder etwas anderes, sie hätten unweigerlich gefunden, dass Kernkraft sich nicht rentiert. Das meine ich mit falscher Berechnung. Wenn Ihr Buchhalter so etwas tut, Mister Fontanelli, kommt er ins Gefängnis.«
    Er stellte seine Kaffeetasse gelassen wieder ab. »Ich dachte also eine Weile über Berechnungsmethoden nach und darüber, wie man im Falle von Costa Rica den Verlust an Waldbestand hätte einkalkulieren müssen, und kam schließlich darauf, dass der Fehler, den die herkömmliche Betrachtungsweise macht, der ist, Ressourcen als unbegrenzt anzunehmen und als Kosten nur die reinen Gewinnungskosten anzusetzen. Das ist ungefähr so vernünftig, als würde ein Kaufmann, der ein Geschäft mit einem großen Lagerbestand an, sagen wir, Toastern übernommen hat, in seiner Preiskalkulation nur die Kosten ansetzen, die es verursacht, ins Lager zu gehen und einen Toaster aus dem Regal zu nehmen. Genau das tun wir aber. Da ist ein Wald, und wir rechnen als Kosten nur, was das Umsägen eines Baumes kostet an Arbeitskraft und Sägeblattabnutzung, vielleicht noch den Transport zum Exporthafen, und freuen uns über alles, was wir darüber hinaus erlösen. Ja, unsere volkswirtschaftliche Lehre ermutigt uns sogar dazu, so zu denken, zu rechnen und zu handeln. Wobei man bei Wald unter Umständen ahnt, dass es so nicht stimmen kann. Aber sobald wir etwas aus der Erde holen – Öl, Erze und dergleichen – und es mit einiger Mühe verbunden ist, denken wir schon nicht mehr darüber nach.«
    Weil eine Pause entstand und Lord Rawburne ihn so fragend ansah, nickte John und meinte: »Verstehe.«
    Damit war er zufrieden und fuhr fort: »Darüber sinnierte ich, wie gesagt, eine Weile, und schließlich dämmerte mir, dass sich in diesem Ansatz die Lösung für das Problem verbarg, an dem ich über zehn Jahre herumgeknabbert hatte.« Er machte eine Kunstpause, ehe er damit herausrückte. »Wie wäre es, überlegte ich mir, alle bestehenden Steuern abzuschaffen und ausschließlich Steuern auf Rohstoffe zu erheben?«
    »Was?«, entfuhr es John. »Aber das wäre in höchstem Maße… ach so?« Er stutzte. »Ich wollte sagen, das wäre ungerecht, weil es nur die rohstoffverarbeitenden Betriebe treffen würde, aber –«
    Rawburne hob dozierend den Zeigefinger. »Wohlgemerkt, die Steuern müssten weltweit einheitlich geregelt sein, damit es kein Abwandern der Industrie gibt, und zahlen müsste jeweils derjenige der etwas aus der Erde entnimmt – die Ölbohrgesellschaft, die Kohlengrube, das Bergwerk und so weiter. Aber natürlich würde der sie in Form höherer Preise weitergeben, sodass letztlich alle sie bezahlen. Lediglich der Verwaltungsaufwand wäre radikal geringer als heutzutage. Keine Einkommenssteuererklärung mehr, keine Steuerabzüge vom Lohn – dafür allerdings wären die Dinge des täglichen Lebens teurer.«
    »Weil auf den Preisen, zu denen der Hersteller die Rohstoffe bezieht, die Steuern lägen.«
    »Ganz genau.«
    John ließ das eine Weile auf sich wirken. War das der größte Unsinn, den er je gehört hatte, oder ein genialer Einfall, das Ei des Kolumbus gewissermaßen?
    »Man würde also sparsamer mit Rohstoffen und mit Energie umgehen«, überlegte John. »Es würde sich nicht lohnen, Konserven durch halb Europa zu fahren; zumindest würden sie dann nicht für ein paar Cent im Regal stehen. Verpackung würde teurer, also würden die Menschen vermehrt auf Unverpacktes ausweichen.«
    Rawburne nickte. »Recycling würde sich plötzlich lohnen. Heute muss man Firmen dazu zwingen, alte Getränkedosen und dergleichen zurückzunehmen. Warum? Weil Rohstoffe viel zu billig sind. Weil die Preise dafür nicht der Wahrheit entsprechen, weder der ökonomischen noch der

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