Eine Billion Dollar
Möglichkeit, gegen die Einrichtung des World Speaker zu stimmen.«
»Genau.«
»Welches Ergebnis wünschen Sie sich?«
Lionel Hillman lächelte salomonisch. »Ein Ergebnis mit einer Wahlbeteiligung von mehr als siebzig Prozent.«
»Und was werden Sie tun, wenn die Ablehnungsoption gewinnt?«
»Dasselbe, was wir in jedem Fall tun werden: in vier Jahren eine neue Wahl veranstalten.«
»Wir haben bereits einen Weltpräsidenten«, sagte Malcolm McCaine in einem Fernsehinterview. »Sie kennen ihn alle; er heißt John Salvatore Fontanelli. Ist das nicht offensichtlich? Überall auf der Welt geschieht, was er will. Zufällig will er, dass Wahllokale eingerichtet werden, weil er sich eine utopische Idee in den Kopf gesetzt hat. Aber obwohl jedem klar sein dürfte, wie unsinnig das alles ist, gehorcht man ihm dennoch.«
McCaine war der Erste, der offensiv gegen den Fontanelli-Plan Stellung bezog. In Anzeigen, Plakaten und Fernsehspots, die Morris-Capstone bezahlte, wurde das Vorhaben angegriffen und lächerlich gemacht. In Europa räsonierten seine Propagandisten in intellektuellen Talkshows verhalten darüber, dass, obgleich die Vorstellung einer Weltregierung natürlich »Charme« habe, es noch zu früh sei selbst für einen ersten Schritt. In Wochenzeitungen malten sie aus, wie eine Milliarde Inder und eine Milliarde Chinesen nach dem Fontanelli-Plan künftig über das Schicksal der Europäer mitbestimmen würden. In Israel warnten Radiospots, den Arabern auch nur den Hauch von Mitsprache über Wohl und Wehe des jüdischen Staates zu geben, während bezahlte Sondersendungen im arabischen Fernsehen erklärten, ein Ja zum Fontanelli-Plan hieße, dem Einfluss des korrupten, moralisch verdorbenen Westens Tür und Tor zu öffnen. In den Vereinigten Staaten trommelten ganzseitige Anzeigen und minutenlange Spots zur teuersten Sendezeit: »Amerikas Präsident ist der mächtigste Mann der Welt. Es gibt keinen Grund, daran etwas zu ändern.«, und auf Autos tauchten Aufkleber auf, die über einer dem Logo von We The People nachgeahmten Grafik die Aufschrift trugen: Just Ignore!
Der UN-Botschafter der Vereinigten Staaten kritisierte die Entscheidung Kofi Annans, das von »dem Billionär« geplante Referendum zu unterstützen, in ungewöhnlich scharfen Worten. In gutinformierten Kreisen ging man danach davon aus, dass die Tage des Generalsekretärs gezählt waren.
Marvin hielt auf dem kiesigen Seitenstreifen und betrachtete das Motel aus der Entfernung. Der aus einem Baumstamm herausgeschnitzte Grizzlybär vor dem Eingang, die Anordnung der zwei flachen, lang gezogenen Bauten, die gelb gestrichenen Wände – die Beschreibung stimmte. Den geparkten Autos nach waren nur zwei der Apartments vermietet, und einer der beiden Wagen, ein alter Ford Pickup, wurde gerade von zwei stämmigen Männern, die aussahen wie Holzfäller auf Reisen, wieder beladen.
Er legte den Gang wieder ein und fuhr das letzte Stück bis zum Parkplatz des Motels. Hinter der Empfangstheke saß ein schlampig wirkender Mann mit seltsam kinnlosem Gesicht und Pferdeschwanz, der die Anmeldeprozedur ausgesprochen unlustig erledigte.
»Kann man von den Zimmern aus telefonieren?«, fragte Marvin, während der Rezeptionist das Geld in die Kasse einsortierte.
»Einfach die Null vorwählen«, kam brummig die Antwort.
»Auch ins Ausland?«
»Yep.« Der Schlüssel wurde über die Theke geschoben. »Nummer drei. Gleich draußen links.«
Das Zimmer hatte eine zum Schreien scheußliche braune Tapete, war ansonsten aber so weit in Ordnung. Marvin wusch sich das Gesicht, spähte einmal aus jedem Fenster, ohne etwas anderes zu entdecken als Wald, Wald und nochmals Wald, dann setzte er sich auf das Bett und nahm den Telefonapparat auf den Schoß. Kein Mobiltelefon, hatte Bleeker ihm eingeschärft. Die können den Standort von jedem einzelnen Mobiltelefon auf der Welt auf zehn Schritt genau anpeilen. Logisch. Das gehörte zu ihrem Plan. Den er ihnen vermasseln würde, und wenn es das Letzte war, was er tat.
Marvin überlegte kurz, wählte dann eine lange Nummer. Eine Frauenstimme meldete sich, er nannte einen Namen, es klingelte. Gleich darauf meldete sich eine andere Frau, die Englisch mit einem bezaubernden italienischen Akzent sprach. »Hallo, Francesca«, sagte er. »Ich bin’s, Marvin.«
»Marvin?«, hauchte sie, schien fast in Ohnmacht zu fallen am Telefon. »Wo bist du? Was…? Ich muss immerzu an dich denken, Marvin, jeden Tag und… Ich habe deine CD
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