Eine Billion Dollar
dafür geradestehen?«, jaulte jemand und hieb mit der Faust auf einen der ledergebundenen Folianten, die auf dem Tisch verstreut lagen.
John hob die Hand wieder, dämpfte die Stimmen. »Ich werde zahlen«, sagte er.
Ihre Kiefer klappten kollektiv herab. Ihre Augen quollen aus den Höhlen, als seien sie durch ein unter dem Tisch verstecktes Druckluftsystem miteinander verbunden.
»Was bleibt mir denn anderes übrig?«, fügte er hinzu.
Sie sahen einander an, suchten nach einem, der gewusst hätte, was anderes übrig blieb, aber es kam nichts außer ein paar unbestimmten Lauten, die wie Schmerz klangen.
John war selber überrascht gewesen, als er sich das eine unruhige, schlaflose Nacht lang hatte durch den Kopf gehen lassen. Jemand, der die Zustimmung der Mehrheit aller Menschen hinter sich vereinigte – das war eine faszinierende Idee gewesen, als sie in seinem Geist aufgetaucht war, als sie sie besprochen und gemeinsam ausgefeilt hatten. Dass es sie selber betreffen könnte, ja, betreffen musste , zwangsläufig und unausweichlich, daran hatten sie keinen Moment lang gedacht. So gewohnt waren sie es schon, sich nicht an Gesetze einzelner Nationen halten zu müssen, so geübt darin, Länder zum eigenen Vorteil und nach Gutdünken gegeneinander auszuspielen, dass die bloße Vorstellung eines World Speaker, der Forderungen an sie stellte, wie ein Schock war.
Er hatte die Worte Mandelas im Fernsehen gehört. Auf keinem Kanal war ein Entkommen gewesen, geradezu triumphierend hatten alle Sender das Statement aufgegriffen und es diskutiert und kommentiert. Im ersten Moment hatte John etwas verspürt wie spöttische Verachtung. Was auch immer diese Politiker redeten und beschlossen, ihn hatte es noch nie wirklich betroffen, er war darüber erhaben. In den Jahren mit McCaine hatte sich diese Art zu denken bei ihm eingeschliffen, das war ihm später klar geworden, und er hatte sich auch noch etwas darauf eingebildet. Verächtlich spotten und dann überlegen, wie man sie austricksen konnte, die Kläffer und Beinpinkler, das war schon zum Reflex geworden, und in diesen Bahnen waren seine Gedanken auch diesmal gelaufen wie von selbst.
Und zu einem fast schmerzhaften Halt gekommen. Denn: Wohin wollte er ausweichen vor einem World Speaker? Wen wollte er gegen ihn ausspielen? Da gab es niemanden. Und ihm sein Geld abzunehmen – das war ein Fall, in dem die Nationen der Welt dem World Speaker nur allzu bereitwillig folgen würden.
Er hatte keine Chance.
»Ich werde zahlen«, wiederholte John. »Das bedeutet, ich muss einen großen Teil des Konzerns verkaufen. Ich möchte Sie bitten, Ihre Anstrengungen darauf zu richten, das vorzubereiten. Ich habe die Analyseabteilung schon beauftragt, entsprechende Konzepte zu entwerfen. Es sind noch einige Monate bis zur Wahl; das sollte genug Zeit sein, um nicht in Druck zu geraten und optimale Preise zu erzielen.«
Jemand schien etwas einwenden zu wollen, klappte den Mund aber wieder zu, ohne ein Wort zu sagen, und nickte wie die anderen.
»Und es, äh, tut mir leid, dass ich Sie gestern mit so viel Druck an die Arbeit geschickt habe«, schloss John und stand auf. »Das war unüberlegt. Ich bitte Sie, mir das nachzusehen.«
Sie nickten wieder. Sie nickten, bis er zur Tür hinaus war.
Paul kam des Weges, hatte ihn gesucht, begleitete ihn zum Aufzug. »Schöne Bescherung, was?«, meinte er.
Es tat gut, auszuschreiten, mit raumgreifenden Schritten den Flur entlangzupreschen. »Wieso?«, fragte John. Auf einmal war ihm seltsam leicht zumute, beinahe heiter. »So wollte ich es doch, oder?«
»Dass Mandela dir dein ganzes Geld wegnimmt?«
»Die eine oder andere Million wird er mir schon lassen. Und mit dem Rest habe ich sowieso nichts anzufangen gewusst. Soll er entscheiden, wer es bekommt.«
»Ich weiß nicht…« Paul schüttelte den Kopf. »Irgendwo ist das ganz schön undankbar.«
John blieb abrupt stehen. »Das wollen wir immer, nicht wahr? Gerechtigkeit für alle, aber Sonderrechte für uns.« Er lachte auf. »Paul, begreifst du nicht, was hier geschieht? Siehst du es nicht? Es funktioniert. Der Plan funktioniert!«
Der Anruf kam, als John im Auto nach Hause saß. Das nicht mehr lange sein Zuhause sein würde, dachte er, während er das Telefon aus der Tasche holte. »Ja?«
»Ich bin’s«, kam eine Stimme, die er schon ewig nicht mehr gehört hatte. »Marvin.«
»Marvin?«, entfuhr es John. »Das ist ja…« Überraschung war gar kein Ausdruck. »Wie geht’s dir?
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