Eine Billion Dollar
nur im Schein der Sterne und einiger Windlichter, John, Eduardo und dessen Eltern. Gregorios Frau erzählte ein paar lustige Anekdoten aus der Schule – natürlich war im Dorf bekannt geworden, welche Rolle die Vacchis im Zusammenhang mit dem Fontanelli-Vermögen gespielt hatten, und so konnte es nicht ausbleiben, dass sie den unteren Klassen veranschaulichen musste, wie viel eine Billion war, und den oberen Klassen, wie Zins und Zinseszins funktionierte. »Bis jetzt sind es schon zehn Kinder«, lächelte sie, »die beschlossen haben, ihr Taschengeld auf ihr Sparbuch einzuzahlen und das ihren Nachfahren im fünfundzwanzigsten Jahrhundert zu hinterlassen. Ich glaube, da muss uns um die Zukunft nicht bang sein.«
Gregorio strich sich die strähnigen Haare ebenso oft aus der Stirn, wie der Meereswind sie wieder dorthin wehte. »Noch etwas Geschäftliches, John«, meinte er mit verkniffenem Ernst. Seine Frau hatte den Arm um ihn gelegt, zupfte ein bisschen an seinem Hemd und ein bisschen an seinem Ohr herum und legte es offenbar darauf an, ihn möglichst umgehend ins Bett zu locken. »Sie werden weiterhin Anwälte brauchen, und was ich Ihnen anbieten möchte, ist, für Sie tätig zu werden. Mein Vater hat das nicht eigens erwähnt, aber wir hatten außer Ihnen beziehungsweise Ihrem Vorfahren auch immer wieder andere Klienten. Nicht weil wir das Geld nötig gehabt hätten, sondern um in Form zu bleiben, auf dem neuesten Stand, um genau die Rechtsanwälte zu sein, die der reichste Mann der Welt braucht.«
John nickte bereitwillig. »Selbstverständlich. Keine Frage.«
»Gut«, meinte Gregorio zufrieden. Dann verabschiedeten sich die beiden. John sah noch, wie er seine Frau küsste, mit einer Heftigkeit, die man bei ihm nie und nimmer vermutet hätte, dann verschmolzen ihre Gestalten mit dem Dunkel im Inneren des Hauses.
Eduardo nahm einen tiefen Schluck aus seinem Weinglas und lachte leise. »Keine Sorge. Ich gehe jetzt noch nicht, und ich lasse auch keine salbungsvollen Abschiedsworte vom Stapel. So in Etappen wie in New York reden wir eigentlich nur, wenn wir es gründlich geprobt haben.«
»Ihr habt das echt geprobt?«
»Wie ein Theaterstück, das kann ich dir flüstern. Du hättest das auch so gemacht, wenn ein Fünfundzwanzigjähriger vor deinen Augen an einem Herzanfall gestorben wäre, nur weil er ein paar Millionen geerbt hat.« Eduardo zuckte die Schultern. »Mein Vater hat das miterlebt, in dem Notariat, wo er seine Ausbildung gemacht hat. Ist schon eine Weile her.«
Sie zogen zwei Stühle vor die metallene Brüstung, sodass sie die Füße daraufstellen und aufs Meer hinaussehen konnten, dazu einen Tisch für die Gläser, die Weinflasche und die Windlichter. Es war angenehm, ein warmer, duftender Wind kam vom Meer her, und in der Schwärze unter ihnen zirpten die Grillen.
»Ehrlich gesagt«, gestand John nach einer Weile – im Wein liegt eben doch Wahrheit –, »ich habe keine Ahnung, was ich machen soll. Nicht einmal wegen der Prophezeiung, sondern einfach so. Was werde ich tun? Ich ziehe in diese Villa, laufe einmal durch alle Zimmer und gucke sie mir an, und dann? Was tue ich dann? Wie verbringe ich die Tage, ganz banal gefragt?«
»Au weia«, sagte Eduardo und schenkte nach.
»Ich meine, ich kann doch nicht immer nur einkaufen.«
»Stimmt.«
»Ich könnte das Geld verschenken.«
»Anregungen, an wen, hast du jetzt ja kistenweise.«
»Ja. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, das ist es auch nicht.«
»Außerdem könnte dir das Geld auf die Weise doch bald ausgehen. Miss Vanzetti führt Buch, und die Briefschreiber langen ordentlich zu. Ich glaube, fünfhundert Milliarden Dollar oder so könntest du schon mal an die bisherigen loswerden.«
John nahm sein Glas und schüttete den sündhaft teuren Chianti hinab, als müsse er etwas in sich ertränken. »Weißt du, ich frage mich, was reiche Leute eigentlich den ganzen Tag tun. Was tut man, wenn man nicht gezwungen ist zu arbeiten, um trotzdem das Gefühl zu haben, dass das Leben einen Sinn hat?«
Eduardo holte hörbar Luft. »Nun … man kann ehrenamtlich arbeiten. Pro bono. So machen wir es. Und ich finde es angenehm, wenn man seinen Lebensunterhalt nicht aus seiner Arbeit beziehen muss.«
»Aber du hast etwas gelernt. Du kannst etwas. Ich habe nicht mal einen brauchbaren Schulabschluss, und gelernt habe ich nur Pizza-Ausfahren und Hemden-Mangeln.«
»Du kannst doch jetzt alles lernen, was du willst. Du kannst einen Abschluss machen und
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