Eine Billion Dollar
drückte. »Bitte sehr. Telefonnummern und Anschriften aller Leute, die du kennst.«
»Eine Liste von Leuten, die ich kenne?« John glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. »Wie kommst du zu einer Liste von Leuten, die ich kenne?«
»Von Dalloway. Das ist der Detektiv, der dich aufspüren sollte. Ich wollte sie dir schon längst mal zeigen, damit du sie durchsiehst, ob jemand fehlt.«
Der Detektiv hatte ganze Arbeit geleistet. Die meisten Namen kamen John höchstens vage bekannt vor, aber nach einer Weile fiel ihm dunkel ein, dass es sich um Mitschüler aus der Primary School handelte, um Nachbarn seiner Eltern oder um Leute aus Sarafis Clique. Murali mit seinem Pizzaservice stand ebenso verzeichnet wie die Dampfwäscherei, in der er gearbeitet hatte, oder ihre Vermieterin, Miss Pearson.
»Wozu um alles in der Welt«, fragte John, »brauchst du so eine Liste?«
Eduardo grinste. »Tja«, sagte er. »Es gibt da ein dunkles Geheimnis, von dem du nichts weißt.«
Zu Johns Verblüffung führte Eduardo ihn zu eben dem Anbau, den er vom Fenster seines Zimmers aus sehen konnte und von dem er sich gefragt hatte, was darin vorging.
Das Gebäude war, erzählte Eduardo, während sie über den staubigen Vorplatz gingen, jahrhundertelang ein Stall gewesen und nach dem Krieg als Werkstatt genutzt worden. Die Bohlentür war alt, schwer und schief, aber das Schloss darin nagelneu. Innen waren Boden, Wände und Decken mit Sperrholz verkleidet, aber man roch hinter dem Geruch von Holz immer noch Ziegenmist und Maschinenöl. Ein kleiner, enger Gang führte in ein kleines, enges Büro, in dem drei Schreibtische standen, an denen drei Frauen saßen, und der verbleibende Raum wurde von Holzregalen voller Schachteln und Kästen beansprucht.
»Das«, erklärte Eduardo und breitete die Arme aus, »ist dein Sekretariat.«
»Wie bitte?«, rief John aus.
Eduardo stellte sich neben eine der Frauen. »Signora Vanzetti. Englisch und Französisch in Wort und Schrift, ausgebildetete Handelskorrespondentin. Sie leitet das Büro.«
Sie nickte John mit unsicherem Lächeln zu. Er erkannte in ihr die ,Frau, die an jenem Morgen nach dem Fest geholfen hatte, die Kartons auszuladen. »Buongiorno«, sagte John flüchtig. »Eduardo, was soll das heißen?«
»Signora Muccini«, fuhr Eduardo mit der Vorstellung fort. »Englisch und Spanisch, ein wenig Portugiesisch, wobei sich herausgestellt hat, dass wir das nicht brauchen.« Die Frau, eine robuste italienische mamma , sah verlegen wie ein Teenager zu Boden, als sei John ein Popstar, dem persönlich zu begegnen sie nie für möglich gehalten hätte.
»Und Signora Tronfi – Russisch und Polnisch fließend, jede andere slawische Sprache gut genug, um Briefe entziffern zu können.« Signora Tronfi lachte ein breites Vollmondlachen.
»Briefe.« Jetzt erst fiel ihm auf, dass es Briefe waren, die stapelweise die Schreibtische bedeckten.
»Seit dem Tag, an dem dein Name in der Zeitung stand«, erklärte Eduardo, »werden wir überschwemmt von Briefen. Tausende von Briefen, an dich oder an unsere Kanzlei adressiert, jeden Tag. Grob gesagt gibt es drei Arten von Briefen. Erstens – Heiratsangebote.« Er deutete auf mehrere nebeneinander stehende weiße Schachteln, auf die mit schwarzem Filzstift ungeschickt Herzen gemalt waren. »Die sammeln wir hier. Hunderte von Frauen jeden Alters, die dich heiraten wollen. Aus den Fotos, die sie mitschicken, könnte man ein Pornornagazin versorgen. Zweitens – Drohbriefe.« Er hob einen schwarzen Karton hoch, auf dem ein Totenkopfaufkleber prangte, wie man ihn auf Giftflaschen anbringt. »Morddrohungen, Drohungen, dich zu entführen, deiner Familie etwas anzutun, jede Art von psychopathischem Zeug. Das wandert hier hinein und jeden Tag weiter zur Polizei. Inzwischen hat Interpol vermutlich schon eine eigene Abteilung, die sich nur mit dir beschäftigt. Und drittens« – er wies auf Kartons, die mit Dollarzeichen gekennzeichnet waren, ganze Reihen davon, regalweise, aufeinander gestapelt, Unmengen – »Bettelbriefe.«
»Bettelbriefe?«
»Leute, deren einziges Kind dringend eine Operation braucht, die sie nicht bezahlen können. Menschen, die ihr Haus und ihren Besitz durch einen Brand verloren haben und nicht versichert waren. Arbeitslose alleinerziehende Mütter, die nicht wissen, wie sie ihre Kinder ernähren sollen. Männer, die durch einen Unfall arbeitsunfähig geworden sind und keine Rente bekommen.« John sah, dass die Kartons durch Kennbuchstaben in
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