Eine Billion Dollar
studieren, wenn du es darauf anlegst. Die ganze Welt steht dir offen.«
»Ja, schon. Aber ich wollte eigentlich nie studieren, und ich will es immer noch nicht. Es käme mir jetzt auch völlig künstlich vor. Als würde ich nur verzweifelt nach einem interessanten Spielzeug suchen.«
»Du hast doch früher gemalt. Was ist damit? Künstlerische Betätigung?«
»Ich habe angefangen zu malen, weil ich eine Freundin hatte, die gemalt hat. Je länger es her ist, dass wir auseinander sind, desto weniger verstehe ich, was ich daran gefunden habe. Nein, ich bin kein Künstler. Ich bin völlig untalentiert für die Kunst.« John seufzte. »Ich bin eigentlich überhaupt völlig untalentiert. Ich habe nicht mal Talent zum Reichsein.«
»Au weia«, sagte Eduardo wieder, und dann schauten sie hinaus auf das silberdunkel schimmernde Meer und sagten lange nichts.
Der Wind landeinwärts wurde kühler.
Die Sterne funkelten unbeeindruckt hoch über ihnen.
Im Gebüsch weit unten raschelte ein Tier.
» Fühlst du dich eigentlich reich?«, fragte Eduardo unvermittelt.
John schreckte aus diffusen Gedanken hoch. »Was?«
»Wahrscheinlich ist es Blödsinn. Mir kam nur gerade die Frage in den Sinn. Ob du dich reich fühlst .«
»Hmm.« John stülpte die Lippen vor. »Ob ich mich reich fühle?« Er dachte nach. »Wie fühle ich mich überhaupt? Keine Ahnung. Das hat mich alles einigermaßen überwältigt, weißt du? Vor einem Monat war ich noch ein armer Pizza-Ausfahrer, und großartig anders fühle ich mich jetzt auch noch nicht. Okay, ich weiß jetzt, wie Kaviar schmeckt, und habe BrooksBrothers-Anzüge im Schrank hängen … aber es kommt mir alles noch vor wie ein Traum. Irreal. Als könnte es morgen früh wieder vorbei sein.«
»Vielleicht liegt es daran«, überlegte Eduardo und ließ den Wein in seinem Glas kreisen, der im Kerzenschein aussah wie Blut: »Weißt du, ich war mit diesen Dingen – reich sein, arm sein, Geld haben und so weiter – mein Leben lang konfrontiert. Seit meiner Kindheit. Und mir ist aufgefallen, dass reiche Leute anders denken als andere. Es sind keine besseren Menschen, im Großen und Ganzen auch keine schlechteren, aber sie denken in anderen Bahnen. Ich weiß nicht genau, warum – vielleicht, weil sie nicht in diesen Kategorien denken müssen, in denen es ums reine Überleben geht. Um Ratenzahlungen und Weihnachtsgeld. Geld ist einfach da, wenn man reich ist, so selbstverständlich wie Luft und Wasser.«
»Willst du damit sagen, dass reiche Leute nie über Geld nachdenken?« John musterte ihn skeptisch von der Seite.
Eduardo runzelte die Stirn. »Du hast Recht, das kann man nicht gerade behaupten. Manche denken an überhaupt nichts anderes. Aber die sind im Geiste immer noch arm. Wenn man tief innen glaubt, dass man nicht genug Geld hat, dann schuftet man auch mit zwanzig Millionen auf dem Konto weiter, um es auf vierzig Millionen zu bringen, und so weiter. Solche gibt es mehr als genug. Stimmt.«
»Aber dann hat das doch gar nichts damit zu tun, wie viel Geld jemand tatsächlich hat«, meinte John. »Dann ist das doch eher eine Frage der Prägungen und Ängste und so weiter, und jemand, der sich mit zwanzig Millionen auf dem Konto immer noch arm fühlt, sollte zum Psychiater gehen?«
»Ja.« Eduardo stellte sein Glas ab und dehnte die Schultern. »Aber nicht alle sind so. Es gibt Leute, die mit Reichtum richtig gut zurechtkommen. Ich hatte so eine vage Vorstellung … Du bist reicher als die hundert nächstreicheren Leute der Welt zusammen. Du bist eine Klasse für sich. Also dachte ich, vielleicht, wenn du dich erst einmal wirklich eingewöhnt hast … eines Tages … wird dir etwas einfallen. Etwas Unerhörtes. Etwas, an das noch niemand gedacht hat. Die Erfüllung der Prophezeiung.«
John holte tief Luft und stieß sie in kurzen Schnaubern wieder aus. »Meinst du? Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, was das sein soll.«
»Wenn’s so einfach wäre, dann wüsste ich es auch«, gestand Eduardo. »Schließlich tüftle ich schon mein Leben lang daran herum. Aber wer weiß – vielleicht war Giacomo Fontanellis Vision letzten Endes doch nur ein besserer Albtraum, und es gibt keine solche Lösung. Dann war er nur ein Mann mit einem Spleen, genauso wie meine Vorfahren, und alle miteinander haben dich einfach reich gemacht – sinnlos reich.«
»Na großartig«, seufzte John und musste plötzlich auflachen, ein kollerndes Kichern, das sich aus den tiefsten Tiefen seines Bauches den Weg
Weitere Kostenlose Bücher