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Eine Braut für alle

Eine Braut für alle

Titel: Eine Braut für alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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Ansicht, daß ich heute Kindermädchen spielen soll.»
    Vermutlich hatte an diesem Morgen selbst Sir Lancelot nicht den Mut, ihr das abzuschlagen.
    «Ich würde es Ihnen hoch anschreiben, wenn Sie zu meiner moralischen Stärkung mitkämen, Grimsdyke.»
    «Das wird nicht so leicht sein, Sir», suchte ich nach Ausflüchten.
    «Seien Sie gefälligst Punkt zwei Uhr bei mir», sagte Sir Lancelot und legte den Hörer auf.
    Dies schien mir keine andere Wahl zu lassen, als Ophelia gegen elf Uhr anzurufen und den Tee zu streichen. Das Herz brach es ihr offenbar nicht. Sie kicherte sogar ungehemmt und machte einen recht gepfefferten Witz über die Paviane. Dann begann es zu schütten und der Wind wurde so rauh, daß selbst Pinguine Frostbeulen bekommen konnten, und so war’s ein eher jammervoller Grimsdyke, der da an diesem Nachmittag abermals die Oxford Street entlang fuhr.
    Sir Lancelot stand bereits vor der Haustür, mit Knickerbockers und Jägerhut angetan, was er wohl für die korrekte Kleidung bei Zoobesuchen hielt.
    «Hab mich schon gefragt, ob Sie sich von diesem Ausflug drücken würden», begrüßte er mich. «Ich hätt’s verstanden. Ich wollt, ich hätte den Mut, es zu tun. Nun denk ich aber: Wenn’s gut wär, daß es geschieht, dann wär’s gut, wenn’s schnell geschieht. Ich geh jetzt die Bälger zusammenzuklauben.»
    Einige Minuten später war ich in der Lage, die zwei Jüngsten des Bischofs einer näheren Inspektion zu unterziehen.
    Hilda war ein blasses, dünnes Mädel, das sowohl an schiefstehenden Augen wie an schiefstehenden Zähnen litt, was beides eben einer recht augenfälligen klinischen Korrektur unterzogen wurde. Randolph war untersetzt und brünett; seine abstoßend mürrische Miene brachte den Wunsch zum Ausdruck, jeden Augenblick etwas in die Luft gehen zu lassen. Ich war in rechter Verlegenheit, ein Gespräch in Gang zu bringen, da ich mich Kindern gegenüber nie von meiner glänzendsten Seite zeigte. Ich glaube, Sir Lancelot ging es genauso, aber er pflegte dieses Problem stets dadurch zu lösen, daß er sich weigerte, ihre Existenz anzuerkennen, und jedes Lebewesen nach dem Entwöhnungsstadium wie einen Erwachsenen behandelte.
    «Ihr, Kinder, springt hinten ins Auto, und dann geht’s los», befahl er. «Wenn eins von euch die leiseste Neigung zum Speien verspürt, habt ihr es mir umgehend mitzuteilen.»
    «Äußerst gütig von dir, lieber Lancelot, sie mitzunehmen.» Der Bischof erschien auf der Schwelle. «Meine arme Frau ist noch immer weit davon entfernt, wiederhergestellt zu sein. Ich fürchte, ihr Zustand wächst sich in eine Art Migräne aus. Überaus betrüblich. Aber es wäre doch ein solcher Jammer, die kleinen Herzchen zu enttäuschen, nicht wahr? Doch nun entschuldige mich, ich gehe zum Feuer zurück. In dieser Winterszeit kann ein solches Unwetter äußerst tückisch sein, meinst du nicht auch?»
    Wir fuhren los, nachdem Sir Lancelot sämtliche Wagentüren der Reihe nach krachend zugeschlagen hatte.
    «Wie ich es aushalten soll, drei volle Wochen unter demselben Dach mit diesem Kerl zu verbringen, ohne in akute paranoide Schizophrenie zu verfallen, entzieht sich meiner Vorstellungskraft», tobte er und drückte auf einen Knopf, um die Kinder in seinem Rolls Royce durch Dazwischenschalten einer gläsernen Trennungswand außer Hörweite zu schaffen. «Nicht zufrieden damit, daß seine Frau gestern abend vor meinen Gästen ein erstklassiges Schaustück aus sich machte, verpfuschte er mir noch heute morgen mein Frühstück durch eine minutiöse Schilderung aller ihrer nächtlichen Symptome. , erklärte er mir. Und ich könnt ihn mark- und beinerschütternd schnarchen hören bis zur Stunde, wo der Milchmann kam.»
    «Ich glaube, selbst Geistliche nehmen’s mit dem neunten Gebot nicht so genau, wenn sie ihren Ärzten erzählen, wie wenig sie schlafen», erwähnte ich.
    Er schnob entrüstet. «Kein Wort dulde ich über ihn in meiner Biographie, verstanden? Meine eigene Familie ist schlimm genug, aber Maud stellt die äußerste Grenze dar.»
    Er hupte laut, als es ihm um ein Haar mißglückte, mitten auf der Marylebone Road einen Radfahrer in einen orthopädischen Fall zu verwandeln.
    «Ich hätte Sie vielleicht über meine Verwandten ein wenig eingehender informieren sollen», fuhr Sir Lancelot etwas gemäßigteren Tones fort, als wir in den Regent’s Park einbogen. «Ich bin einer von fünf Brüdern, mit denen ich seit den Masern nicht

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