Eine Braut für alle
Tränen. Nach einem Weilchen begann ich unruhig zu werden und sagte unbehaglich:
«Er wird’s wohl ganz gemütlich haben, sicher. Kriegt regelmäßige Kost und massenhaft Zigaretten. Und wenn man bereits eine
Kabine mit zwölf anderen Stewards geteilt hat, muß es zur Abwechslung ganz angenehm sein, einmal eine zur eigenen Verfügung zu haben.»
«Ich kann den Gedanken an ihn einfach nicht ertragen!» Ich bot ihr ein Taschentuch an. «Der liebe, gute Basil. Glaubst du, daß Ratten in seiner Zelle sind? Vor Mäusen hat er sich immer riesig gefürchtet.»
Ich reichte ihr meine Tabatiere, aber sie weinte so sehr, daß sie die Hälfte der Zigaretten ruinierte.
«Auch Sybil regt sich schrecklich darüber auf», fuhr Ophelia unter gewaltigem Schneuzen fort.
«Sybil? Doch nicht Sybil van Barn?»
«Sie ist, wenn man sie einmal kennt, eine direkt süße Person. Wir beide haben uns heute morgen gründlich ausgeweint.»
Schon wollte ich eine garstige Bemerkung machen - über Krähen, die einander nicht die Augen aushacken -, aber all das Geweine brachte mich derart aus der Fassung, daß ich es an der Zeit fühlte, den Haupthahn abzudrehen.
«Jetzt hör mich einmal an, Ophelia», sagte ich artig, aber entschieden. «Bezüglich Basils brauchen wir uns keine allzugrößen Sorgen zu machen. Wenn ich dem Kapitän einfach die glatte Wahrheit auseinandersetze, nämlich daß der Bursche eigentlich ein psychiatrischer Fall ist, wird ihm nichts Schlimmeres zustoßen, als daß er in Rio abgeheuert wird und als B. S. S. O. S. auf einem anderen Schiff heimfährt.»
«Als B. S. was?»
«Britischer Seemann in Not.»
«Nein, Basil nimmermehr!»
«Aber verdammt noch mal, Ophelia!» Der verflixte Kerl war lang genug ein britischer Schauspieler in Not gewesen, als daß ihm der Unterschied auffiele. «So etwas geschieht öfters -»
Ophelia trocknete sich die Augen. «Ich werde hinaufgehen und mit dem Kapitän sprechen.» - «Ich glaube nicht, daß das viel Sinn hat», sagte ich ihr. «Nach seiner Miene zu schließen, als er Basil das letztemal begegnete.»
«Wir werden sehen.» Sie zog ihre Puderdose heraus, um die Nase zu betupfen. «Der arme, arme Basil!»
«Der arme Basil!» stieß ich hervor, als sie gegangen war. Ich versetzte dem nächsten Kissen einen Tritt. Nicht nur, daß dieses Frauenzimmer eine regelrechte Harpyie war, benahm sie sich noch dazu ganz unmöglich.
Da nun Ophelia und Basil aus meinem Leben geschieden waren, gab es nichts anderes als Sir Lancelots Memoiren, um die Lücke zu füllen. Als wir uns Rio de Janeiro näherten und das Ventilationssystem ständig zusammenbrach, bot das Deck einen recht angenehmen Aufenthaltsort, ich aber saß, ein Handtuch um meine Lenden geschlungen, in meiner Kabine und ackerte mich durch Stöße von Tischreden durch, die der alte Knabe vor Jahren geschwungen hatte; ich hoffte, sie hatten besser geklungen damals, als man sich nach einer Mahlzeit von sechs Gängen mit einer Zigarre und einem Glas Brandy im Sessel zurücklehnte.
Aber im Lauf der Tage konnte ich nicht umhin, Mitleid mit dem alten Basil zu empfinden, der drunten neben den Farbtöpfen sich die Seele aus dem Leib schwitzte. Im Grunde genommen war er wohl kein schlechter Kerl. Der Haken bei ihm war nur sein ewiger krankhafter Betätigungsdrang als Schauspieler. Während unseres kleinen Laufs rund um das Deck war er natürlich nicht wirklich Basil Beauchamp gewesen, der Gaston Grimsdyke mit einem Operationsmesser verfolgte. Er war Macduff gewesen, der Macbeth durch ganz Dunsinan nachhetzte. Daher schob ich zwei Tage vor unserer fahrplanmäßigen Ankunft Sir Lancelots Leben beiseite, schlüpfte in meine weiße Uniform und trat aufs Deck hinaus, mit dem Vorhaben, einen seiner Wächter zu bestechen, damit er ihm eine kalte Flasche Bier zuspiele.
Als ich um die Ecke des Flügelhauses bog, stieß ich auf den Kerl selbst; er lümmelte sich, angetan mit einer purpurroten Badehose, in einem Strecksessel und hielt ein großes Glas Gin and Tonic in der Hand.
«Basil!» rief ich. «Ja, mein lieber alter Junge! Bist du entwischt?»
Er erwiderte meine Begrüßung durch einen langen, leeren Blick.
«Verdammt noch mal!» fragte ich, «was hast du denn hier verloren, mitten unter den Erste-Klasse-Passagieren?»
«Ich bin Passagier erster Klasse, belästigen Sie mich nicht», erwiderte er kalt.
Ich fragte mich einen Augenblick, ob seine garstigen Erfahrungen ihn am Ende tatsächlich geistig umnachtet hatten.
Basil sog an der
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