Eine Braut für alle
Zigarre, die er eben rauchte. «Entnehme ich Ihren Epauletten zu Recht, daß Sie der Schiffsarzt sind?»
«Natürlich bin ich der Schiffsarzt, du Idiot. Du weißt recht gut -»
«Dann halten Sie sich gefälligst Ihre Position vor Augen: Sie gehören der Mannschaft an.»
«Also hör mal.» Ich blickte mich um. «Ein Späßchen in Ehren, aber jetzt mach einmal damit Schluß, den weltreisenden Grandseigneur zu spielen, und erklär mir das Ganze. Wenn übrigens der alte Shuttleworth kommt und dich erwischt —»
«Ich verstehe Sie nicht, Doktor.» Basil maß mich vom Kopf bis zu den Füßen. «Ich kann mich sogar nicht einmal entsinnen, Sie je gesehen zu haben.»
«Basil, du Esel! Noch in unsrer alten Bude -»
«Mr. Beauchamp, wenn ich bitten darf. Machen Sie einen Sprung zur Bar hinüber und holen Sie mir noch einen Gin and Tonic, ja?»
«Hol dir selber deinen dreckigen Gin and Tonic.»
Basil seufzte. «Du lieber Gott, diese Insubordination in der Schiffsbesatzung! Muß wirklich bei der Gesellschaft darüber Beschwerde führen.»
«Wieso, zum Teufel», fragte ich, «kommt es, daß du nicht eben jetzt unten im Schiffsbauch Putzwolle zupfst?»
Basil leerte gemächlich sein Glas. «Ich habe eine sehr gute Freundin an Bord - eine gewisse Miss Ophelia O’Brien. Vielleicht ist sie Ihnen nicht unbekannt? Sie klärte Captain Spratt über gewisse Umstände auf, die meine Anwesenheit an Bord bedingten, und vermochte den lieben alten Herrn zu bestimmen, meine Freilassung vorzunehmen. Nach einigen wenigen Formalitäten vor unserem Konsul in Rio werde ich meines Kontrakts mit der Schiffsgesellschaft entbunden. Da er keine Optionsklausel enthält, steht es mir danach frei, in meine Heimat zurückzukehren.»
«Ja, dir die Seele aus dem Leib schwitzend, unter Kaffeebohnen auf einem gemeinen Frachter.»
«Eine weitere gute Freundin an Bord - eine gewisse Mrs. van Barn», fuhr Basil gelassen fort, «hat den Kapitän dazu bestimmt, für den Rest der Fahrt die Bezahlung für mein Ticket erster Klasse anzunehmen. Sie bestreitet desgleichen liebenswürdigerweise meine Auslagen bis London. Wir werden via New York die Reise gemeinsam zurücklegen. Ich werde im Waldorf Astoria absteigen. Übrigens, Doktor - es wäre möglich, daß ich auf Grund meiner angegriffenen Nerven eine eingehende ärztliche Behandlung benötige. Ich werde Sie wahrscheinlich im Laufe des Nachmittags fortwährend in meine Kabine beordern, Sie tun daher wohl am besten, sich nicht zu Ihrem üblichen Nachmittagsschläfchen niederzulegen, ja?»
Wir kamen nach Rio de Janeiro.
Ophelia flog nach London zurück. Ich nahm mir nicht die Mühe,
mich von ihr zu verabschieden. Basil flog mit Mrs. van Barn nach New York, und von ihm erwartete ich noch weniger, daß er sich die Mühe nähme, sich von mir zu verabschieden. Ich blieb an die Reling gelehnt zurück und dachte über das Leben nach.
«Doktor!»
Ich wandte mich um, als Captain Spratt auftauchte.
«Sir?»
«Doktor, ich habe über recht ernste Dinge mit Ihnen zu reden», begann er. «Mr. Shuttleworth hat mir berichtet, daß man Sie während der Fahrt einmal in der Veranda-Bar nicht nur Crème de Menthe trinken, sondern auch noch die Hand einer jungen Passagierin halten sah, deren Name besser unerwähnt bleibt. Sie kennen nur zu gut meine Ansichten über derlei Dinge. Es gibt dafür keine Entschuldigung. Mir bleibt nichts anderes übrig, als Ihnen Ihren Landurlaub in Rio de Janeiro zu sperren, Ihnen jeglichen Alkoholgenuß zu untersagen sowie überhaupt Ihr Erscheinen auf den Passagierdecks während der restlichen Fahrt. Guten Tag.»
16
«Hoffentlich verbrachten Sie in Gesellschaft meines jüngeren Bruders George angenehme Ferientage», sagte Sir Lancelot Spratt. «Zweifellos haben Ruhe und Entspannung, die traditionsgemäß mit Seereisen verbunden sind, Ihnen enorm gutgetan.»
Da ich seit drei Wochen meine erste Maß Bier getrunken und seit sechs Wochen meinen ersten Schritt an Land gesetzt hatte, wußte ich nicht, was antworten.
«Ich habe vergangene Woche durch Zufall bei einem Dinner in der City erfahren, daß er gezwungen wurde, das rauhe Seemannsleben wieder aufzunehmen.» Der Chirurg schaltete, vor dem Kamin stehend, eine kleine Pause ein. «Es dürfte manchmal nicht ganz leicht sein, die Gesellschaft meines Bruders als restlos genußvoll zu empfinden.»
Dem stimmte ich von ganzem Herzen zu.
«Er hat die abstoßende Gewohnheit, sich seine Schädelhöhlen mit Schnupftabak vollzustopfen. Ich habe
Weitere Kostenlose Bücher